Sonne über Gudhjem. Von Michael Kobr

Ja die Frage drängt sich auf: Kann ein Autor, der sich (zusammen mit seinem Kollegen Klüpfel) mit einem absolut unverwechselbaren, witzigen und hoch beliebten (und sogar mehrfach verfilmten) Kommissar - Kluftinger - in den Olymp der unterhaltsamen Kriminalliteratur geschossen hat, plötzlich als Solist mit einem neuen Protagonisten Erfolg haben?

Ich möchte diese Frage beantwortet wissen und kaufe das Buch: "Sonne über Gudhjem" von Michael Kobr. Ein 420 Seiten-Buch aus dem Goldmann-Verlag mit dem Sicherheits-Sticker vorne drauf: "Michael Kobr: Bekannt von den Kluftinger-Krimis".

Es ist Kobr hoch anzurechnen, dass er mit seinem "Kluftinger" Pause macht. Nach so vielen Romanen mit demselben Ermittler, gehen einem irgendwann die Ideen aus. Also ist es gut, wenn man sich eine neue Schiene anschafft. Kobr tut dies mit dem abgehalfterten KK Lennart Ipsen (der gleich heisst, wie die lokale Müllabfuhr und gleich klar macht, dass der Kobr-Humor auch im neuen Buch weitergeführt wird!). Ipsen muss sich in seiner alten Heimat Dänemark auf der Insel Bornholm zurecht finden und schon alleine dies gibt Stoff für ein Buch. Das Verbrechen, welches natürlich gleich zu Beginn von Ipsens neuem Setup passiert, ist thematisch wirklich mal was Neues und wird recht spannend und zügig niedergeschrieben. Die Mischung zwischen Aufklärung des Verbrechens und der Angewöhnungsphase von Ipsen auf der Insel ist ausgewogen, unaufdringlich und sehr farbenfroh beschrieben. Alles in allem: Ein schönes, leichtes und rasantes Buch für den Indian Summer.

Ich würde also sagen: Ja, der Kobr kanns. - Man freut sich auf einen Fortsetzungsband: Der Ipsen bleibt ja vorerst für immer auf der Insel und es hat noch jede Menge potentielle Geschichten. Zum Beispiel bahnt sich eine zärtliche Liebesgeschichte an und die Lesenden (zumindest ich) haben sich mit Ipsen schon so angefreundet, dass man gerne mehr davon erfahren würde.

Nur der Mond war Zeuge. Von Josephine Tey.

Eismusik. Von Philipp Probst.

Verderben. Karin Smornoff (n. Stieg Larsson)

Mörderfinder. Von Arno Strobel.

Der Arno Strobel. Ich kannte diesen Autor lange nicht und wenn ich mal was von ihm gehört oder gelesen habe, dann hatte ich nie das Gefühl, dass ich sofort in die Buchhandlung rennen muss, um mir ein Strobel-Thriller zu kaufen. Doch ehrlich gesagt, könnte das eine Fehleinschätzung meinerseits sein.

Ich habe mir dann mal den neuesten Arno-Strobel-Thriller gekauft. "Mörderfinder". Und ich muss sagen, es gelüstet mich nach mehr von seinen Büchern, nur um auszukundschaften, ob dieser Stil, den Strobel für den Transport seiner Geschichten benützt, immer so ist. Nämlich: Einzigartig.

Es gibt Thriller, die würde ich meiner Frau oder einem Jugendlichen nicht ohne Weiteres empfehlen, weil sie Nerven brauchen und ungeübte Thriller-LeserInnen um den wohlverdienten Schlaf bringen. Nicht so bei Arno Strobel. Er schafft es, eine Geschichte, die viel Tiefe, Tragik und Spannung enthält, in ein langweiliges Winzerdorf im Moseltal zu schreiben, wo halt durchschnittliche Moseltalerinnen und Moseltaler arbeiten und leben. Der Ermittler wird aus seinem "Nest" in Düsseldorf gezerrt und muss sich an der lauschigen Mosel einem - zu Beginn - recht trivialen Fall annehmen. Die Spannung steigt aber, von der einen Buchseite zur nächsten, permanent und am Schluss steht man fast beim Lesen. Erstens weil die Geschichte, ganz thrillermässig, einen völlig anderen Ausgang nimmt als angenommen und zweitens erst noch mit einem eigentlich ganz anderen Thema als kolportiert endet (ich dachte schon im ersten Viertel, dass ich genau wüsste, weshalb der junge Mann aus dem Moseldorf vor zwanzig Jahren verschwunden sei und wer ihn gemeuchelt habe...). Sehr leicht lesbar und sehr gut verständlich. Einfache, verständliche Charakteren und eine klare Marschrichtung mit ganz wenigen Strängen.

Natürlich, es ist wie immer: Eine Geschmackssache. Mir aber schmeckt dieser Stil. Ein spannendes Buch, bei welchem man nicht mit dem Notizblock lesen muss (um die Stränge und die Personen zu ordnen). Es liest sich leicht und klar und ich werde mir wohl das eine oder andere Strobel-Buch nachkaufen. Nur um zu überprüfen, ob und wie sich der Stil des Autors etabliert hat.

Der nette Herr Heinlein. Von Stephan Ludwig

Meine Frau liest nicht gerne Bücher, wo Menschen niedergestochen oder auf eine andere Art gemeuchelt werden. Aber das Buch von Stephan Ludwig müsste sie trotzdem lesen. Erstens garantiert der Autor, dass in seiner Geschichte sehr viel humorvolle Passagen vorkommen. Nicht solche, wo man lauthals lachen muss, sondern slapstickartige oder tiefgründige, aber lustige Situationen. Stephan Ludwig ist der Autor der Krimiserie «Zorn», dessen erfolgreiche TV-Verfilmung immer wieder zum Grinsen verleitete. Der zweite Grund wäre dann die Figur des Protagonisten. Ein Delikatessenhändler, der seine ausgefallenen Pasteten täglich selber herstellt und an wenige Stammgäste verkauft. Die akkurate Beschreibung der Herstellung seiner Köstlichkeiten ist grossartig und lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die weiteren Baustellen in seinem Leben (der demente Vater, der autistische Assistent, sein Patenkind in Afrika und alle Akteure rund um seinen Laden) bringen den Lesenden viel Spass und Freude bei der Lektüre.

Ja und dann wären da noch die Leichen. «Der nette Herr Heinlein» gerät, natürlich völlig unverschuldet, in eine kriminelle Spirale, die einerseits eine ansehnliche Anzahl Leichen fabriziert (von denen Heinlein – so viel sei gespoilert – keine einzige direkt verantworten muss, die er aber allesamt in seinem Kühlhaus aufbewahrt) und andererseits das Wesen von Heinlein gegen seinen Willen verändert: Der «nette Herr  Heinlein» wird zum Dreh- und Angelpunkt einer Kriminalkomödie, die eigentlich nur deshalb entstanden ist, weil er ein ausgeprägtes Helfersyndrom hat. Der Schluss ist – natürlich – symptomatisch für einen durch und durch guten Menschen wie Heinlein und wird hier nicht gespoilert. Nur so viel: Er würde meiner Frau gefallen. Es ist kein «Happy End». Eher ein «Funny End».

Ein schönes Buch für Zwischendurch. Und ein Beweis, dass ein Krimi mit ein paar Leichen durchaus unterhaltend sein kann.

Gentleman über Bord. Von Herbert Clyde Lewis.

Ich habe diesen Blog 2020 während der Pandemie begonnen und jetzt, nach knapp drei Jahren, realisiere ich erstmals in aller Wucht, welchen Nutzen ich selber davon habe: Ich habe mir ein Buch gekauft, welches ich - höchstwahrscheinlich - ohne Blog nicht gekauft hätte. Und ich danke dem literarischen Gott dafür, dass er mich zu diesem Regal, in welchem das Buch stand - gebracht hat!

Ich erachte diese (kleine) Buch in mehrerer Hinsicht als genial! Erstens kauft man ein Buch (ca. 28 Franken) und erhält dafür in der gebundenen Ausgabe eine kleine Kartonhülle, in welchem das Buch eingelegt ist. Als würde so eine Taschenausgabe eines höchst wertvollen Romans geschützt. Zweitens ist das Buch selber in Leinentuch gebunden und etwas vom schönsten, was ich seit Langem gekauft hatte. Das "Büchlein" enthält gerade mal 150 Seiten Geschichte und 10 Seiten Nachwort. Es ist also eine Sache von vielleicht 2 Stunden Lesezeit. Aber zwei Stunden, die man so schnell nicht wieder vergisst!

Der Autor ist seit 1950 tot. Er wurde 41 Jahre alt und hat in dieser Zeit - neben seiner journalistischen Tätigkeit - vier Romane geschrieben und "Gentleman über Bord" war 1937 sein Debüt. Und niemand beachtete diese Geschichte, bis vor Kurzem die Wiederentdeckung geschah. Und vielleicht waren es einfach gute Marketing-Menschen. Aber: Mittlerweile hat die Geschichte mehrmals den Titel "Meisterwerk" in Anspruch genommen und man schreibt von "tiefgründig, genial und meisterhaft".

Worum geht es eigentlich?

Der Plot ist einfach: Ein Businessman nimmt sich ein "sabbatical" (was 1937 sicherlich als Wort noch nicht existierte...) und geht auf eine Kreuzfahrt (auf einem Frachtschiff). Dort rutscht er eines Tages auf einem Ölfleckt aus und stürzt ins Meer. Die Lesenden bleiben bei ihm bis zum Ende und erfahren alles über sein Leben, seine Mitpassagiere und über das Schiff, auf welchem er eigentlich sein sollte. Punkt.

Ich glaube, man kann das Buch nicht besser beschreiben als Jochen Schimmang das im höchst lesenswerten Nachwort des Romans getan hat. Ich möchte zititeren: "Lewis Erzählkommödie ist souverän. Darüber hinaus wechselt er ohne Stolperer die verschiedenen personalen Perspektiven .... Lewis hält den Spannungsbogen bis zum Schluss und er hat eine Geschichte zu erzählen ... die in einem Blick auf die Welt als existentialistischer Roman gelesen werden kann. Der Roman ist eben das Meisterwerk, das er hätte werden können!"

Wirklich, ich glaube der Literaturkritikerin Elke Heidenreich: "Eine bibliophile Kostbarkeit ... Das ist das Beste, was ich seit Jahren gelesen habe!"

Bitte kaufen Sie dieses Buch! Und verschenken Sie es niemals.

Totenweg. Von Romy Fölck.

"Eine junge Polizeibeamtin kehrt auf den Hof der Eltern zurück nachdem ihr Vater niedergeschlagen wurde und im Koma liegt. Sie stellt fest, dass dieser Anschlag und ein Mordfall aus der Vergangenheit miteinander zusammenhängen!"

Aus diesem einfachen Plot strickt die deutsche Erfolgsautorin Romy Fölck das Start-Buch einer Serie um eine norddeutsche Ermittlerin.

Die Lektüre des Buches hinterlässt bei mir keine klare Meinung. Einerseits denke ich, dass die Geschichte zu einfach ist, um 380 Seiten zu füllen. Und tatsächlich, manchmal bewegt sich die Geschichte kaum und man sehnt sich einen Zwischenfall herbei, der wieder etwas Tempo in die Erzählung bringt. Schliesslich ist das kein Heimatkunde-Skript über die Hamburger Marsch, sondern ein Krimi. Der Zwischenfall kommt dann schon, und die Geschichte nimmt wieder kurzzeitig Fahrt auf, bevor sie wieder in einer Frageorgie der selbstzweifelnden Protagonistin erstarrt.

Der Plot wird letztlich zu einer annehmbar authentischen Geschichte verarbeitet, zeigt ausserordentlich gut, wie Land-Menschen im Norden Deutschlands ticken und was es heisst, wenn ein "Dorf im Krisenfall zusammensteht". Das ist sehr schön und - ich wiederhole mich - authentisch zu lesen. Über Alles gesehen aber, würde mich dieses Buch allerdings nicht dazu verleiten, weitere Folgen der Serie zu erstehen.

Aber: Die deutsche Autorin des Buches - Romy Fölck - ist sehr erfolgreich und ihre Bücher verkaufen sich sehr gut ("sensationelle Erfolge, wochenlang Spiegel-Bestseller-Liste" so die Eigenwerbung im Klappentext). Und letztlich war das Lesen des vorliegenden Kriminalromans weder mühsam noch langweilig. Und immerhin lehrreich. Deshalb werde ich wohl eine zweite Runde "Fölck" machen und mir eine Fortsetzung der Serie in Form des nächsten Bandes erstehen. Denn "Totenweg" ist die Startausgabe der Serie und ist 2019 erschienen und eine Autorin im Format der Romy Fölck wird sich an der Figur weiterentwickeln. Und vielleicht auch das Tempo der Geschichte.

Schneetod. Von Ragna Jonasson.

Nach zwei rasanten Thrillern hat es mal wieder ein "normaler" Kriminalroman auf meinen Nachttisch geschafft. Ich muss diesem Check vorausschicken, dass ich bereits ein Buch von Ragna Jonasson gelesen habe. Und leider hatte ich damals nicht gerade die euphorische, literarische Eskalation erlebt (https://www.buechercheck.com/2021/12/13/frost-von-ragnar-jonasson/). Aber gerne eine zweite Chance.

Liest man die Klappentexte oder Wikipedia-Einträge, muss Ragna Jonasson zu den weltbesten Krimiautoren gehören. Seine "Dark-Iceland"-Serie verkauft sich, immer gemäss Quelle, super und die Preise fliegen dem Kerl reihenweise zu. Zudem gehört er unter das Label "SPIEGEL - Bestseller Autor", was aber - das wissen die regelmässigen Lesenden dieses Blogs - nicht gerade zuverlässig ist.

Mir erschliesst sich das nicht. Das vorliegende Buch - als Thriller bezeichnet, was für mich ganz und gar unverständlich ist - ist schlicht harmlos. Ein Kriminalfall in Island, der halt nicht so offensichtlich ist, wie er zuerst anschaut, aber durch einen durchschnittlich begabten Regional-Kommissar ohne Probleme gelöst werden kann. Und weil der Fall so einfach gestrickt ist, hat dann jede Figur in diesem Roman, eine Nebengeschichte. Dem Kommissar seine Frau steht vor dem Seitensprung und bietet immerhin etwas Spannung, ob sie nun mit dem Chef in die Kiste steigt oder nicht. Der ehemalige Chef der Wache hat Rachegefühle. Der Bürgermeister verlustiert sich mit seiner Assistentin. Und so weiter. Aber nichts von alledem bringt der Geschichte etwas Tempo. Sie plätschert dahin - unterbrochen von einer kursivgedruckten Rückblickorgie, die man beim dritten Mal überspringt, weil sie immer wieder dasselbe transportiert.

Der Schluss ist dann vielleicht etwas überraschend. Aber nicht so, dass man vor Schreck aus dem Bett fallen würde.

Wäre da nicht der Handlungsort - Island -, den ich mit meiner Frau gerade kürzlich selber besucht hatte, so hätte ich dem Buch nicht viel Positives abgewonnen. Ich jedenfalls gehöre nicht zu den Ragna Jonasson-Fans. Vielleicht später mal.

Erinnere Dich! Von Max Reiter.