Freier Fall. von Clare Macintosh.

Da muss man sich jetzt mal geben: Hier kommt ein Plot, der so einfach ist - und eine Geschichte, die zum Pageturner mutiert!

Eine Stewardess bekommt während des Fluges einen Zettel in die Hand: "Wenn der Flug 79 das Ziel nicht erreicht - dann wird Deine Tochter weiterleben. Sonst ist sie tot"!

Die Autorin schafft es, daraus eine mehrschichtige Geschichte zu spinnen, die immer wieder ganz überraschende Wendungen hat (so wie es sich für einen anständigen Thriller gehört!) und sehr spannend daher kommt. Und auch in diesem Thriller sind es die allerletzten Seiten, die der Geschichte nochmals eine komplett andere Bedeutung geben.

Damit man nicht weiss, wie die Geschichte ausgeht, lässt die Autorin gleich zu Beginn ein Flugzeug abstürzen. Und bringt somit die Lesenden in die richtige Stimmung. Die ganze Geschichte ist aus verschiedenen Sichtweisen erzählt, jedes Kapitel wird wieder von einer andern Person erzählt. Aber die Geschichte läuft rasant voran und fügt sich zu einer unerhörten Story.

Die Autorin war 15 Jahre lang Polizistin in England, bevor sie sich für den Vollzeit-Job als Autorin entschied. Gottseidank!

Dieses Buch ist kurzweilig, spannend und könnte so passiert sein. Die Geschichte spielt in der Luft, am Boden und in den Köpfen einiger Menschen. Grossartiges Handwerk der Autorin.

Kaufempfehlung: Tuns Sie`s!

Ein Brief aus München. Von Hakan Nesser.

Der Steg. Von Petra Johann.

Nichts ruht für immer. Von Harlan Coben.

Wieder ein Thriller mit Vorschusslorbeeren bis zum Abwinken: "Der neue Thriller des Spiegel-Bestseller-Autors" - Die Bücher wurden bisher in 45 Sprachen übersetzt - Autor mit drei der bedeutensten Krimipreisen Amerikas ausgezeichnet - erobert regelmässig die internationalen Bestseller-Listen ...

Ich finde, es sollte mal wieder deutlich geschrieben stehen: Da kann ein Autor oder eine Autorin noch so hip sein - wenn bei mir das Buch nicht so landet, wie offenbar bei Millionen von andern Lesenden, dann ist das weder schlimm noch verwerflich. Sondern normal. Denn man muss immer wissen: Ein Krimipreis erhält, wer die vielleicht 10köpfige Jury überzeugen kann. Und nicht mehr. Und die Kriterien, weshalb ein Buch auf die "Spiegel-Liste" kommt, erschliesst sich den Büchercheckern auch nicht ganz. Uns fragt niemand. Das wird halt durch irgend ein Logarithmus entschieden...

Nun, das vorliegende Buch von Harlan Coben ist mit Sicherheit kein schlechtes. Aber es ist wie ein Hit von einem angesagten Popstar: Sicher ein gutes Lied, aber keines, das sich abhebt. Und genau so ist es mit diesem Buch: Ich habe es irgendwann Mitte Oktober gelesen und kam gerade nicht dazu, es zu "checken". Und heute, als ich wieder ein paar Bücher vor mit hatte - unter anderen auch dieses - konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, worum es ging. Erst beim Klappentext kam die Erinnerung zurück. Allerdings auch nicht an die "Feinheiten" des Buches oder an die Höhepunkte. Kurz gesagt: Ich müsste es eigentlich nochmals lesen um es ganz seriös zu bewerten. Aber da es in diesem Blog ja nicht um die Qualität der Story geht, sondern um das Empfinden, welches man bekommt, wenn man das Buch liest, ist es nicht nötig. Ich kann das auch so. Es gibt nun also drei Punkte:

  1. Ich muss alle Bücher sofort beschreiben und nicht damit warten. Sonst kommts nicht gut.
  2. Das vorliegende Buch ist sicher kein schlechtes - das wäre mir in Erinnerung geblieben. Es ist aber auch keines, welches durch irgendetwas auffällt. Man kann es kaufen oder nicht, das macht keinen Unterschied. Es ist eben wie der 43. Song vom Pop-Sänger: Es tönt alles etwas gleich.

Nun, ich entschuldige mich bei allen Coben-Fans. Aber die kaufen das Buch ja sowieso...

Die Frau im Eishaus. Von Kristina Ohlsson.

Was ich wirklich immer wieder faszinierend finde: Die Herkunft der Autoren oder Autorinnen der Bücher. Meist auf den Klappentexten veröffentlicht: Da gibt es solche, die sind Lehrer und schreiben mal ein Buch. Oder oft gibt es JournalistInnen, die sich an ein Buch wagen. Oder dann Tourismusexperten, die ein Buch über "ihre Stadt" oder "ihre Region" schreiben. Und dann werden das Bestseller und der Beruf kann an den Nagel gehängt werden. Schöne Geschichten.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine - Achtung! - Expertin für Terrorismus bei der OSZE in Wien und Mitarbeitende beim Verteidigungsministerium in Schweden als Expertin für EU-Aussenpolitik und Nahostfragen. Und irgendwann beschloss die Frau mit Jahrgang 1979 ein Buch zu schreiben und schon mit ihrem Debut-Werk gelang ihr der internationale Durchbruch. Jetzt schreibt sie Thrillerreihen und die Terroristen können aufschnaufen... Krass, oder?

Also: Wenden wir uns dem Krimi-Bestseller aus Schweden zu: "Die Frau im Eishaus". Als Protagonist ist da August Strindberg, einer, der gar kein Polizist ist, sondern ein Detailhändler für alte Sachen, der gerade einen "Backwettbewerb" organisisert. Schon alleine diese Geschichte ist rührend und sehr gut durch das ganze Buch gefädelt. Dann taucht eine ominöse 19järige Frau auf und dann passiert halt - wie das so in einem Krimi dann und wann vorkommt - ein Mord.

Die Autorin hält die Spannung hoch und die Geschichte nimmt ein Tempo auf, welches sie praktisch nicht mehr verliert. Das Buch ist sehr schön zu lesen, vom Stil her einerseits, aber auch andererseits von den Beschreibungen der Arena, in welchem die Geschichte spielt: Hovenäset in Schweden, ein ruhiges Kaff mit 180 EinwohnerInnen, die weder ein Restaurant haben noch einen Lebensmittelladen. Aber halt eben sonstige Schönheiten und August Strindberg, der mit seinem Boot zur Arbeit fährt.

Die Geschichte ist voller Geschichtchen und es ist ein Lese-Vergnügen. Obwohl es ein Krimi ist. Und das finde ich bemerkenswert.

Also: Kaufen Sie das Buch ruhig. Es wird wahrscheinlich kein Insel-Buch werden, aber Sie werden den Kauf auch nicht bereuen.

Ein letztes Geschenk. Von Calla Henkel

Ich stelle mir immer vor, dass mein «Befinden» über ein gelesenes Buch einer Waage mit zwei Waagschalen gleicht: In der einen liegt das Buch. In die andere lege ich Gewichte. Je mehr Gewichte ich hinein lege, desto höher schwebt das Buch.

«Das letzte Geschenk» von Calla Henkel ist eines, welches wohl schön austariert in der Mitte liegen würde: Es ist kein Buch, welches ich unbedingt auf die Insel mitnehmen müsste. Es ist aber auch ein Buch, welches ich gerne gelesen habe und ich richtig gut finde. Wie geht das?

Einerseits ist es eine spannende, unübliche und gut erfundene Geschichte. Keine «Mord – Ermittlung – Aufklärung»-Abfolge. Der beschriebene Todesfall ist ein Unfall und erst im Laufe der Geschichte ergeben sich weitere, bisher verschwiegene Verbrechen.

Dann die Protagonistin. Eine intellektuelle und aktive Lesbe, die sich vom Liebesdrama in eine Idee hinein steigert und so einen rasante und schnelle Geschichte voran treibt.

Dann der Stil: Ein Buch mit relativ viel spontanen Rückblicken. Das Buch verlangt nach voller Aufmerksamkeit. Man muss jede Zeile lesen, nicht zuletzt um auch ein paar schwarzhumorige Stellen zu verstehen. Es enthält auch eine schöne und unaufdringliche Portion an Erotik und das lässt tief in die Seele der Protagonistin (oder der Autorin?) blicken.

Die amerikanische Autorin gibt 1988 als Geburtsjahr an. Das ist gefühlsmässig jung und so ist auch ihr Buch geschrieben. Von der Social Media-Influencerin bis hin zum Hinterwälder in den Bergen – alles ist dabei und alles ist hervorragend beschrieben.

Bref: Ein cooles Buch. Knapp CHF 30.00 im Hardcover (oder 25 EUR in DE). Lohnt sich allemal. Ich würde es zu Weihnachten verschenken, auch an LeserInnen ohne Verlangen nach blutrünstigen Szenen.

Romes Tod. Von Sabine Thiesler.

Die Autorin Sabine Thiesler ist Schauspielerin und hat – nebst TV – auch Bühnenerfahrung. Und ich finde es grossartig, wie man das bei der Lektüre des Buches merkt. Da geht es nämlich um einen Schauspieler, der an seinen Rollen zerbricht, zudem  um seine Geliebte und um die Mutter des Bühnenstars.

Sabine Thiesler beschränkt sich dann nicht auf eine Geschichte, einen Plot. Nein, sie zieht vorsichtig für jede ihrer Protagonisten eine Story auf die Leine und spielt grossartig damit. Wir begleiten den irren Schauspieler, wie er sich nebst seiner Geliebten eigentlich nur mit sich selbst und seinen Rollen beschäftigt, wie sind dabei, wenn  die verängstigte Geliebte ihrem Ex nachjagt und dabei sich, ihre Belgeiterin und ihre ganze Umwelt beschäftigt  und wir sehen, wie die zu neuem Leben erwachte Mutter des Schauspielers im Leben der beiden andern eine tragende Rolle einnimmt.

Das Buch bietet Spannung und gewährt einen wunderbaren Blick hinter die Kulissen der Theaterwelt – im wahrsten Sinne des Wortes. Es bietet aber auch einen Blick hinter die Kulissen von Menschen und erzählt deren Geschichten. Im letzten Drittel des Buches kommt es dann noch zu einem gewaltsamen Todesfall, der dann alles wieder auf den Kopf stellt. Komischerweise ist das aber in der Geschichte an sich keine grosse Überraschung. Denn die Autorin schafft es, dass man sowas erwartet.

Ich habe mir die gebundene Ausgabe gegönnt (22 € in DE; 33.90 CHF) und habe ein schönes und gutes Buch bekommen. Romeos Tod liest sich flüssig und bietet eine Grundspannung, die immer wieder zum Weiterlesen animiert.

Klare Leseempfehlung. Auch für LiebhaberInnen von unblutigen Geschichten.

Dunkles Wasser. Von Charlotte Link.

Zuerst zur Autorin. Sie zählt zu den erfolgreichsten, aktuellen Autorinnen in Deutschland und ihre Bücher sind allesamt Bestseller und erreichen eine Auflage von 33 Millionen Exemplare (wer das wohl zählt)! Es kann also kaum sein, dass man sich ein "schlechtes" Buch kauft, wenn man sich einen Kriminal-Roman von Charlotte Link einpacken lässt.

Dennoch: Ich kenne ein paar Menschen, die würden - wenn sie den Inhalt erzählt bekommen - das vorliegende Buch niemals kaufen. Denn es gibt immer LeserInnen, die sich nichts aus Krimis machen. Und wenn doch, vielleicht eher aus humorvollen, lokalkolorierten Plots oder einfach aus schönen Büchern mit einem nicht unbedingt blutigen Verbrechen.

Das sehe ich ein bisschen den Zweck dieses Blogs. Ich möchte erzählen, wie es mir beim Lesen ergangen ist und wie sehr ich an jene Menschen denken muss, denen das Buch allenfalls nicht gefallen hätte.

Nun, die Geschichte um die Ermittlerin Kate Linville nimmt einen absolut brutalen Anfang. Ich glaube immer mehr, dass die erfolgreichen Serien-AutorInnen immer neue und immer aufsehenerregendere Einstiege benötigen. Jener im vorliegenden Buch ist grausam, brutal und nichts für schwache Nerven. Vorallem nicht, weil die Tat immer und immer wieder im gesamten Verlauf des Buches vorkommt und letztliche auch noch in allen Details beschrieben wird.

Die Ermittlung - der Plot dazu - ist spannend, gut geschrieben und hat mich manchmal etwas gestresst, weil ich mit den Aktionen der Protagonisten nicht immer einverstanden war. Aber: Das Buch ist spannend und farbig - auch wenn es zum grössten Teil im stets regnerischen Schottland stattfindet. Manch unlogische, wenig glaubwürdige oder lächerlicher Handlung überliest man grosszügig - es muss halt einfach sein, sonst geht die Geschichte nicht weiter. Und die Geschichte ist temporeich.

Aber eben: Für die zartbesaiteten Lesenden gilt: Finger weg. Da gibt es Schöneres.

Für die Hardcore-Kriminalisten: Durchaus lesenswert. Es ist ja auch von Charlotte Link.

Jenseits des Grabes. Von Fred Vargas

Dieser Blog ist für mich sehr bereichernd. Natürlich weiss ich, dass es auf dieser Welt wohl mehrere Hundertausend gut Autoren und Autorinnen gibt , die Millionen von Büchern geschrieben haben. Gute, schlechte, spannende oder ungewöhnliche. Und doch empfinde ich immer wieder ein Gefühl, welches sich aus Scham, Glück und Befriedigung zusammensetzt, wenn ich eine Autorin oder einen Autor entdecke, den offenbar die ganze Welt (im vorliegenden Beispiel ganz Frankreich) kennt, die oder der schon haufenweise Bestseller produziert hat - und mir bisher absolut unbekannt geblieben ist.

So erging es mir mit Fred Vargas. Und da hilft alles Gendern nichts - ich dachte zuerst: Aha, ein französischer Autor. Erst nach dem Blick auf das Foto im Klappentext habe ich gesehen, dass Fred eigentlich eine Frau ist und eben seit vielen Jahren grossartige Bücher schreibt.

Nun, ich habe dann das Buch "Jenseits des Grabes" gekauft und ... verschlungen. Die Vargas kann schreiben (und hat das Glück, eine sehr gute Übersetzerin (Claudia Marquard) zu haben.

Der Kommissar von Fred Vargas, ihr Commissair Jean-Baptiste Adamsberg ist ein etwas spezieller Geselle, dessen Arbeit vornehmlich darin besteht, seine MitstreiterInnen im Team mit seinen aussergewöhnlichen Ermittlungsansätzen zu irritieren. Natürlich führen sie alle zum Ziel. Aber die Art und Weise ist schon sehr lesenswert: Seine Dialoge, seine Gedanken, seine Methoden sind wirklich sehr aussergewöhnlich, wenn nicht sogar schräg. Und manchmal bekommt man das Gefühl, die Autorin schreibt die Geschichte des Buches "um den Kommissar" herum. Natürlich leben viele Kriminalromane von den Persönlichkeiten der Ermittler und Ermittlerinnen. Aber ich finde die Variante "Adamsberg" sehr speziell und sehr lesenswert.

Die Geschichte spielt natürlich irgendwo in Frankreich und ist an sich schlüssig, wenn auch ein wenig absurd.

Ich habe die Hardcover-Ausgabe erstanden (CHF 37.00) und bin ziemlich zufrieden mit dem Kauf: Lesenswert!

Sie kann dich hören. Von Freida McFadden.

Freida McFadden hatten wir schon mal in diesem Blog (hier). Und es ist wieder ein grossartiges Buch. Freida ist am 1.5. irgend eines Jahres in Boston geboren (Es wird nirgends veröffentlicht. Ich schätze mal so um 1975 - 80). Je nach Klappentext sieht sie aus wie die jüngere Schwester von Harry Potter. Sie ist aber Ärztin und schreibt schon seit vielen Jahren Bücher - ohne wirklich die Weltbühne der Literatur betreten zu haben. Bis sie dann 2022 mit ihrer Serie "The Housemaid" begonnen hat. In deutscher Sprache heisst der Erste Band - wie beschrieben - "Wenn Sie wüsste". Da geht es um eine junge Frau die ihren Lebensunterhalt mit Putzen in anderen Haushalten verdient. Und dann halt eben in die eine oder andere Bredouille gerät, aus welcher sie eigentlich gar nicht mehr rauskommen kann.

"Sie kann Dich hören" ist Band Nr. 2. Diese beiden ersten Bücher sind ähnlich aufgebaut: Der erste Teil ist eine Beschreibung des Tagesablaufs von der Hauswirtschaftsdame Millie. Die Geschichte plätschert dahin. Man begleitet Millie bei ihrer Arbeit und in ihrem (Liebes-) Leben. Kurzweilig zwar, aber man bleibt nur dabei weil man weiss, dass Freida McFadden einfach darauf wartet, bis die Lesenden fast schon ans Weglegen des Buches - vielleicht aus Langeweile - denken. Und dann knallt die Autorin, meist nur in zwei oder drei Worten - einen Twist in die Geschichte, welcher das ganze auf den Kopf stellt. Auch im vorliegenden Buch! Die ersten 220 Seiten sind cool zu lesen, kurzweilig und mässig interessant, kaum spannend. Die einzige Spannung ist aber: "Wann kommt der Hammer?". Man fühlt sich ein bisschen wie in der Geisterbahn an der Herbstmesse: An sich ist die Fahrt durch den Tunnel ja absolut harmlos. Aber man weiss doch, dass irgendwann eine Horrorfigur aus der Dunkelheit crasht!

Und es wird auch in diesem Buch passieren! Versprochen!

Ich habe das grosse Vergnügen, mich als Freida McFadden-Fan zu outen. Das nächste Buch aus der Reihe wird gerade übersetzt und erscheint im November 2024: "Sie wird Dich finden". Ich habe es vorbestellt...

Eine unbedingte Kaufempfehlung.