Das Erbe der Toten. Ian Rankin.

Ich muss zugeben: Dieses Buch hat mich überfordert! Ich musste mich regelrecht durchkämpfen und habe knapp 500 Seiten darauf gewartet, bis mich die Handlung packt und etwas Lesefreude vermittelt. Aber es kam nichts. Und das Komplizierte daran ist: ich weiss nicht einmal weshalb.

Am Autor kann es nicht liegen. Er sei - so der Klappentext - "einer der erfolgreichsten Krimiautoren der Gegenwart" (Das liest man durchschnittlich auf jedem zweiten Klappentext). Er wurde sogar mit dem "Order des britischen Empires" ausgezeichnet. Also: Schreiben kann der.

Vielleicht erklärt sich mein Missfallen damit, dass der Protagonist der Geschichte, ein abgehalfteter Ermittler, der von Autor Ian Rankin bereits 1987 zum ersten Mal eingesetzt wurde, schon seit 24 Büchern unterwegs ist und seine regelmässige Leserschaft eben schon seit bald 40 Jahren in Beschlag genommen hat. Ich bin erst jetzt dazu gekommen und werde mich wieder absetzen.

Die Handlung ist ein Sammelsurium von Themen. Rebus (eben dieser Protagonist) kümmert das nicht und er ermittelt alleine, ausser Dienst und illegal, währenddessen seine Kollegen und Kolleginnen der Polizei offenbar alles falsch sehen und immer einen Schritt hinten drein sind.

Es hat keinen grossen Sinn. Das Buch mag gut sein und die Rebus-Fans erfreuen. Ich fand nichts an dem Buch und würde das auf keinen Fall jemandem zum Lesen geben. Das ist aber meine Meinung....

Dunkle Verbindungen. Von Gil Ribeiro.

Der Dreisam-Mörder. Von Walter Roth.

Der Morgen. Von Marc Raabe.

Mister Goebbels Jazzband. Von Demain Lienhard

Zwanzig Tage. Von Daniel Levin.

Daniel Levin erzählt in diesem Buch eine wahre Geschichte, die er 2014 erlebt hat, als er den Auftrag erhält, im Nahen Osten einen vermissten Sohn eines Bekannten zu suchen. Nach einer Einführung in die Thematik verstehen wir Lesenden schnell, dass diese Aufgabe, auch für einen erfahrenen Unterhändler wie Daniel Levin, etwa so realistisch ist, wie wenn man in einem Teich voller Krokodile nach einer verlorenen Uhr tauchen muss.

Ich weiss nicht, wie sehr "wahr" die Geschichte ist. Ich weiss auch nicht, woher Levin die Gabe hat, sich an so viele Details zu erinnern. Was ich aber nach der Lektüre dieses Buches weiss ist, dass ich - und wahrscheinlich der grosse Teil der Menschen - nicht weiss, was im Nahen Osten so täglich an Gewalt, Korruption, Erpressung, Drogengeschäften abgeht. Und dass bis in die höchsten Regierungskreise nichts und niemand vertrauenswürdig zu sein scheint. Es ist eine wahrhaftig scheussliche Story, die Levin hier erzählt. Sehr spannend. Und - falls sie dann wirklich wahr ist - unglaublich mutig.

Der Ausgang der Geschichte ist durchzogen. Das Ziel wird wohl nicht erreicht, aber trotzdem werden viele Ungereimtheiten wieder gerade gebogen und einige der schlimmen Typen aus dieser Geschichte eliminiert. Das hilft aber nicht über die Tragik hinweg, die z.B. junge Frauen in diesen Städten im Nahen Osten erleiden müssen. Das führt dazu, dass ich wenig Verständnis habe, wenn Frauen sich in unserer Hemisphäre benachteiligt fühlen, weil vor dem Bürogebäude nur "Besucher"-Parkplätze und keine für "Besucherinnen" bereit stehen. Da denke ich an die Kindsfrauen in den Bordellen von Dubai und das stimmt mich traurig.

Ja, es ist kein Buch für einen beschwingten Frühlingsbeginn. Aber vielleicht tut es mal wieder gut sowas zu lesen. Um zu verstehen, wie gut wir es alle hier haben. Egal ob Besucher oder -in. Das Buch liest sich schnell und flüssig. Aber - wenigstens ich - musste es ab und zu niederlegen, um meine Gedanken zu züglen.

Etage 13. Von C.M. Evan

Das hier ist meine persönliche Definition: Ein "Kriminalroman" (ugs: Krimi) ist eine Geschichte, die meistens mit einem toten Menschen beginnt und dessen Erzählung bzw. Geschichte sich darum dreht, wer den Menschen getötet hat und allenfalls noch warum. Ein "Thriller" hingegen muss nicht zwingend mit einer Leiche beginnen. Sondern es ist eine Geschichte, die im Laufe der Zeit immer spannender wird, unerwartete Wendungen nimmt und in den meisten Fällen recht brutal sein kann.

Ein unglaublich gutes Beispiel für einen gewaltigen Thriller ist "Etage 13" von C.M. Evan. Der Autor, der Jura und Literatur studiert hat (da muss man ja Thriller-Autor werden) beginnt seine Geschichte mit einem ganz einfachen und unverdächtigen Bewerbungsgespräch. Und sie endet in einem Desaster und der Autor nimmt alles, was er in der Trick--Kiste findet um die Lesenden zu verwirren, zu überraschen oder zu schockieren zu Hilfe. Und letztlich wird das zu einem Pageturner der Extraklasse.

Ich werde nix vom Inhalt aufschreiben. Aber ich kann garantieren, dass dieses Buch mit Sicherheit einer der besten Thriller ist, den ich in den letzten Jahren gelesen habe. Grossartige - nicht unmögliche - Geschichte in einer Umgebung, die uns allen bekannt ist. Grossartig geschrieben. Gemischt in "Ich-Form" und im Erzähl-Stil.

Spannung ist garantiert. Und falls Sie in den nächsten Tagen ein Bewerbungsgespräch vor sich haben: Viel Glück dabei. Aber lesen Sie um Himmelswillen die "Etage 13" erst danach...

Banksy und die blinde Fleck. Von Bernhard Jaumann.

Ich muss zwei Dinge vorausschicken: Erstens bin ich ein grosser Fan von Banksy. Ich gehe auch an die unauthorisierten Ausstellungen von diesem Künstler und kaufe dann dort eine Tasse oder ein Poster. Also wenn schon, dann gleich richtig. Dann zweitens: Als ich auf dieses Buch gestossen bin, wurden deshalb sämtliche Kauf-Kriterien über Bord geworfen. Ich musste das einfach erstehen!

Das ist dann auch ein sehr aussergewöhnliches Buch: Es ist als "Kriminalroman" deklariert. Die Protagonisten sind Privatdetektive einer Agentur, die sich auf Kriminalität in der Kunstszene spezialisiert hat und das Verbrechen, welches letztlich zu einer Verhaftung führt, geschieht auf den letzten 100 von 300 Seiten und ist eigentlich ein Verkehrsunfall. Die "Straffälle" an sich sind Ratten, von welchen niemand weiss, ob sie vom Original-Banksy oder einem Nachahmer in München in grosser Zahl an verschiedene Mauern gesprüht werden. Der Hype, der um diese aufgesprayten Tiere entsteht, ist enorm und endet bei Auktionen, bei welchem die Werke Höchstpreise erzielen.

In diesem Buch spielt Banksy die Hauptrolle, obwohl er - vielleicht - gar nie auftaucht. Aber es wird sehr viel über seine Identität, seine Arbeiten, sein Leben, seine Arbeitsweise und sein Umfeld geschrieben. Für einen Banksy-Fan ein Paradies.

Die Geschichte interpretiert den Begriff "Kriminalroman" auf eine ganz neue Weise: Ein Krimi braucht nicht zwingend einen ermordeten Menschen, um als "Krimi" deklariert zu sein. Es braucht einfach ein paar kriminelle Handlungen und sogar diese sind nicht ganz offensichtlich und klar. Sind den "Kunstwerke" von Banksy kriminell? Letztlich entsteht in München - wie beschrieben - ein kolossaler Hype um diese Sprayereien, sodass ganze Garagentore demontiert und versteigert werden.

Das Buch ist Klasse. Und ich glaube nicht nur, weil ich Banksy mag. Sondern weil es einerseits witzig geschrieben ist, weil es mal einen ganz anderen Anspruch an einen Krimi erfüllt und weil es sogar noch lehrreich ist. Letztlich geht es zwar dann doch noch um eine kriminelle Verschwörung. Die allerdings ist eher unblutig und harmlos.

Der Autor Bernhard Jaumann ist ein Münchner. Seine Sprache ist sauber und seine Mischung zwischen Dialogen und Geschichte ist ausgewogen, lesbar. Der Plot lebt von einem langsamen Aufbau und einer unerhört präzisen Beschreibung des Phänomens "Banksy". Dies ist der dritte Band der Reihe um die Kunstdetektei "von Schleewitz". Und hoffentlich nicht der letzte.

Sternenfeld. Von Rolf von Siebenthal.

Nach der Lektüre dieses Buches beschäftigen mich zwei Dinge.

Rolf von Siebenthal schreibt in seinem Nachwort: "Wie für jeden meiner Krimis gilt: Diese Geschichte ist Fiktion, die Personen und Ereignissie sind frei erfunden. Real dagegen sind die Orte und Schauplätze, die in diesem Buch beschrieben werden." Soweit so klar: Birsfelden, Basel, Lauwil, der Hafen oder der Friedhof Uster - alles real. Raab, seine Freundin, deren Tochter, die Mafia, die Pflegefachfrau und sein alter Mentor - alles erfunden. - Mit dem könnte man ja gut klar kommen.

Nun kommen aber in diesem Buch dermassen viele Schiessereien und Tötungen vor, die in einer "realexistierenden" Stadt wie Birsfelden oder Basel wohl eine Ausgangssperre auslösen würden. Oder anders gesagt: Diese Rezension entsteht an jenem Sonntag im März 2023, als man in Niederkassel-Lülsdorf (DE) eine tatsächliche Leiche kopfüber in einem Abfluss-Schacht gefunden hat. Also ziemlich spektakulrär. Und tatsächlich: innert Kürze war die Nachricht in ganz Europa verteilt und in Lülsdorf ist die Welt nicht mehr so, wie sie vorher war. - Wenn sich aber der Protagonist Raab eine Schlacht an einer Tankstelle in Reigoldswil liefert oder zum Schluss des Buches zwei alte SchulkollegInnen ermordet und sie dann in den Rhein wirft, das geht an dieser Stadt bzw. der Geschichte spurlos vorbei. Das ist weit weg von der Realität und stört, zumindest mich, ein bisschen. Wenn denn schon "alle Orte und Schauplätze" real sind, dann dürfte sich auch das Leben dort (welches bei den Raab-Geschichten generell kaum stattfindet) etwas realer anfühlen.

Das zweite ist sehr persönlich und darf eigentlich hier gar nicht stehen. Trotzdem: Mich ärgert die immer wieder bemühte Geschichte des "Sich selbst Entlassens aus dem Spital", nur um zu beschreiben, was der Protagonist doch für ein harter Kerl ist (komischerweise kommt das bei Frauen höchst selten vor...). Dieser literarische Trick wird immer wieder bemüht. Sowohl in Büchern wie auch in Filmen - meistens in Krimis. Und mich langweilt er. In vorliegenden Fall gehts dem Selbstentlassenen wenigstens danach richtig dreckig (was ihn aber nicht am Töten hindert...). Bei andern Fällen spazieren die Patienten tags darauf herum, als hätten sie die Physiotherapeutin geheiratet.

Was Spass macht an diesem Buch ist die Anlage der Teilnehmenden: Der Protagonist ist kein verschrobener Kommissär, kein pensonierter und gelangweilter Arzt, kein Rentnercop oder auch kein Wirt - sondern selber ein Krimineller, der eigentlich, wenn das Leben normal läuft, innert 20 Minuten ein Haus leerräumt. Dabei trifft er dann - zum Auftakt eines Bandes - auf Leichen oder andere Kriminelle. Das ist, das will ich gerne zugeben, sehr amüsant und vor allem gut erfunden.

Der Autor ist - gemäss Klappentext - ausgebildeter Sekundarlehrer und ein "Schreiberling" aus Passion. Das merkt und geniesst man. Das Geschriebene ist flüssig, schön und leicht zum Lesen.

Damit wir uns alle richtig verstehen: Ich fand diesen Band zwar etwas "too much". Aber die Geschichten mit Raab sind spannend und etwas anders als andere... Zudem: auf den letzten sieben Seiten des Buches druckt Rolf von Siebenthal das erste Kapitel des im Frühjahr 2024 erscheinenden, nächsten Abenteurers des Einbrechers Raab ab. Und ich werde auch diese Geschichte dannzumal lesen.

Die Schatten von Paris. Von Ulrich Wickert.

Ich wollte es einfach wissen und das ist der einzige Grund, weshalb das Buch auf meinem Nachttisch gelandet ist: Kann ein (TV-)Journalist, der sich Abend für Abend in die Wohnstuben der Deutschen moderiert hat und der auch für die Gestaltung eines spannenden Abends ein Telefonbuch vorlesen könnte, ja kann ein solcher Journalist auch einen spannenden Kriminalroman verfassen?

Natürlich kann er. Erstens schaffte es das Buch auf die Bestsellerliste von SPIEGEL (was - das wissen die LeserInnen dieses Blogs nur zu gut - nicht immer ein Gütezeichen ist). Zweitens ist es nicht der erste Krimi von Ulrich Wickert, der insgesamt schon über 30 Bücher veröffentlicht hat. Darunter einige Kriminalromane. Ja und drittens beherrscht der Mann die deutsche Sprache nicht nur bei den Tagesthemen, sondern auch schriftlich.

Es ist eine Wohltat, dieses vorliegende Buch Der Schatten von Paris. Man merkt es dem Buch an, dass der Autor Wickert in PARIS und in Frankreich eine zweite Heimat gefunden hat. Jede Wette, dass all die Personen der Nebenhandlungen (also der Wirt, der den Kaffee serviert oder der Taxichauffeur) im richtigen Leben existieren. Wickert hat die Gabe der Beobachtung und schreibt diese nieder. Auch der Beschrieb der Pariser Restaurants und deren Angebote kennt der Autor nicht vom Internet, sondern sicherlich von der eigenhändigen Erfahrung. Und das spürt man bei jedem Satz. Bei solchen "autobiografischen Schilderungen" läuft man immer die Gefahr, dass der Autor oder die Autorin etwas zu dick auftragen. Ulrich Wickert schrammt knapp an dieser Grenze vorbei. Man befürchtet manchmal, dass auch der Toilettengang aus französischer Sicht noch beschrieben wird...

Die Personen, die in der Geschichte mitspielen, sind - mit Ausnahme einiger der Bösen - Französinnen und Franzosen und benehmen sich so. Beim Essen, beim Leben und zu Hause. Auch dies wird von Ulrich Wickert sehr authentisch rübergebracht.

Ach ja, nebenbei spinnt sich Wickert eine durchaus logische, nicht übertriebene und doch actionreiche Agentengeschichte zusammen. Es wird viel geschossen in Paris und Umgebung, aber Wickert übertreibt nicht, hält die Geschichte am Laufen und bringt die Lesenden nicht durcheinander. Nicht einmal musste ich zurückblättern um herauszufinden, wer nun die ebenbeschriebene Person eigentlich ist...

Das Buch kostet - im Hardcover - über 30 Franken. Aber es lohnt sich, zumindest bei diesem TV-Star... Nicht dass ich jetzt sämtliche Wickert-Krimis nachkaufe. Aber ich warte doch gespannt, ob da noch was kommt...