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Mister Goebbels Jazz Band. Von Demian Lienhard. (Check Roger)

Eine Story von beklemmender Aktualität.

Von beklemmender Aktualität ist der zweite Roman von Demian Lienhard, obwohl der «Mr. Goebbels Jazz Band» schon 2020 geschrieben und im gleichen Jahr dafür den Schweizer Literaturpreis erhalten hat. Der 36-jährige Schweizer blendet in seinem Roman zurück ins Dritte Reich der Nationalsozialisten und damit zum Höhepunkt des  Antisemitismus, wie er in diesen Tagen der Krise im Nahen Osten auch in Europa wieder das Haupt erhebt.

Lienhard ist promovierter Archäologe, und eine Art Ausgrabung ist auch die – wahre - Geschichte, die er erzählt. Es geht im Kern um politische Propaganda, wie sie diktatorische Regimes seit Menschengedenken einsetzen,  und die Story fokussiert auf ein Projekt des damaligen Reichspropagandaministeriums. Dessen Chef Joseph Goebbels hat auf dem Höhepunkt des 2. Weltkriegs mit Hilfe eines windigen englisch-irischen Überläufers den Radiosender «Germany Calling» gegründet, der die englische Bevölkerung mit «Fake News» verunsichern soll. Um diese empfängergerecht einzupacken, spielt die Station den von den Briten ebenso geliebten wie von Hitler & Co. gehassten Jazz, und zwar, wie damals üblich, live interpretiert von jüdischen Musikern, weil nur sie dieses Genre perfekt beherrschen.

Damit dieser zynische Propagandateppich auf allen Ebenen ausgerollt werden kann, wird ein Schweizer Journalist (Neutralität!) beauftragt, die Geschichte dieses erfolgreichen Orchesters und seiner gehätschelten nichtarischen Mitglieder derart positiv dazustellen, dass das Regime damit auch die aufgekommenen Holocaust-Gerüchte widerlegen kann. Wie dieser Fritz Mahler nun versucht, die Reste seines journalistischen Gewissens mit diesem dubiosen Auftrag zu verbinden, wie er wochenlang erfolglos nach einem roten Faden sucht oder den misstrauischen Musikern unter beiderseitigem Alkoholeinfluss ein paar brauchbare Statements zu entlocken versucht, wie er letztlich scheitert, ihn die Niederlage des NS-Regimes aber im letzten Moment von der Abgabe des nicht existierenden Manuskripts dispensiert – das hat grossen Unterhaltungswert. Auch wenn einem angesichts des brutalen Zynismus dieser üblen Machenschaft das Lachen manchmal im Hals stecken bleibt.

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