War ihr Buch «Mädchen, Frau etc.» https://www.buechercheck.com/2021/08/03/maedchen-frau-etc-von-bernardine-evaristo ein ebenso brillant geschriebene, gescheite und darüber hinaus noch unterhaltende Hymne auf selbstbewusste Frauen, stellt Bernadine in ihrem neuen Roman «Mr. Loverman» - wenig überraschend angesichts dieses Titels - einen Mann in den Mittelpunkt. Einen allerdings mit einem besonderen Lebenslauf.
Barrington Walker, geboren in Antigua und seit fast fünfzig Jahren in London mit seiner Landsfrau Carmel verheiratet, hat als Immobilienhändler ein komfortables und geruhsames Leben geführt. Bei seiner tiefgläubigen Frau und den beiden Töchtern hat er durch alle Höhen und Tiefen einer konventionellen Ehe ausgeharrt, ist aber die ganze Zeit auch mehr oder weniger offen fremdgegangen. Nicht mit anderen Frauen, wie seine gekränkte Gattin ihm dauernd unterstellt, sondern mit seinem Jugendfreund Maurice, der einerseits als «unverdächtiger» Dauergast im Hause Walker ein- und ausgeht, seinen Lover aber nach ausgedehnten Club-Besuchen auch regelmässig bei sich übernachten lässt. Er ist es, der Barry schliesslich dazu bringt, im Alter von 74 Jahren endlich sein Leben in Ordnung zu bringen, zu Hause reinen Tisch zu machen und «im letzten Viertel» noch so zu leben wie er möchte. Nämlich mit ihm, Maurice, in einer Männer-WG.
Evaristo schildert nun in Form von wechselseitigen Tagebucheinträgen von Carmel und Barry die Irrungen und Wirrungen, die aus diesem zögerlich gefällten und noch zaghafter umgesetzten Entscheid für die ganze Familie resultieren. Ein 74-jähriger Homosexueller, der an drei Frauen (und deren kirchlichem Fanclub) vorbei endlich alle gesellschaftlichen Konventionen überwindet und seine sexuelle Orientierung offenbart und auslebt: Das gibt viel Stoff für ebenso komische wie nachvollziehbare Situationen. Auch diesem Buch der britischen Autorin mit nigerianischem, irischen und deutschen Vorfahren merkt man den Hintergrund als Professorin für Creative Writing auf jeder Seite an. Great!