Die Wahl. Von Dominique Mollet.

Kennen Sie die Modellrennbahnen von Carrera mit den kleinen Autos, die surrend in einem Gleis über die aufgestellte Bahn rasen, während der Fahrer mit seinem Daumen an einem mit einem Kabel verbundenen Drücker Gas gibt?

Jetzt stelle man sich eine solche Bahn mit 10 Schienen und Autos vor: Jedes Auto steht für einen Handlungsstrang in der Geschichte und der Autor Mollet steht an der Seite und lässt ein Auto nach dem andern losfahren....

Das ist eines der herausragenden Merkmale dieses Buches von dem Basler Dominique Mollet: Er startet die Geschichte, die mit der Internet-Wahl des Papstes endet, mit gefühlten 10 Handlungssträngen und sie alle nehmen rasch Fahrt auf, überholen sich manchmal oder fliegen aus der Bahn. Im ersten Kapitel explodiert es schon mal heftig und die andern "Carrera-Autos" auf der Rennbahn kreisen immer rascher um die Rennbahn. Das macht die Geschichte unglaublich schnell und spannend.

Man merkt sehr gut, dass der Autor sowohl Kunstgeschichte wie auch Publizistik studiert hat. In seinem Buch geht es (nach einigen Runden auf der Rennbahn) um Kunst. Und auch um "...die Wissenschaft der Massenmedien und ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit" (Was die Definition von Publizistik ist), in diesem Falle um den Ge- und Missbrauch der Sozialen Medien. Es ist also kein Fantasie-Gefasel sondern akkurat recherchierte (und eben studierte) Fakten.

Der Plot bzw. die Idee hinter der Geschichte könnte von Andreas Eschbach sein: Ein Szenario, das gleichzeitig undenkbar, aber auch realistisch genug ist, um nicht ins Si-Fi-Genre abgeschoben zu werden. Mollet bemüht - und da sind wir wieder bei der Modellrennbahn - viele teilnehmende Gruppen in seiner Geschichte: Islamistische Terroristen, die Kirchen allen voran der Vatikan, Klima- und andere Demonstrantinnen, die Medien, die geheimen Mächte hinter den Sozialen Medien. Daraus mischt er eine Geschichte die letztlich spannend ist, aber ziemlich fordernd für die Lesenden: Denn wenn man eines der Carrera-Rennautos aus den Augen lässt, ist es um die Kurven und kann schnell dem Blick entschwinden.

Aber letztlich ist der "Thriller" von Dominique Mollet ein gelungenes Debut. Mollet bringt alle Modell-Autos ins Ziel, wenn auch nicht gleichzeitig. Das Buch fand ich ziemlich spannend und vor allem lehrreich. Ob das alles möglich und wahr ist, was in "Die Wahl" beschrieben wird, das wird den Lesenden überlassen. Man denkt darüber nach. Und ich mache jede Wette, das war ein Ziel des Autors. Ich jedenfalls bin froh, dass der Kelch von Facebook, Twitter und Insta an mir vorbeigegangen zu sein scheint.

Das Buch kann getrost gekauft werden. Ob es in einer Zeit wie dieser unter den christlichen Weihnachtsbaum gehört, das bleibt offen. Man kann es ja auch nach den friedlichen Festtagen verschenken...

Ein Fremder klopft an Deiner Tür. Von Hakan Nesser.

Ich habe viele Bücher und Büchlein auf meinem Nachttisch. Meistens kaufe ich sie mir selber und ab und zu bekomme ich auch ein Exemplar von einem Verlag zu geschickt. Die einen Bücher sind rasant, blutig, laut - die andern sind leise oder unbekannt. Und wenn ich grad wieder einen blutigen Thriller gelesen habe oder ich sonst etwas desorientiert vor meinem Büchervorrat stehe, dann greife ich zu den sogenannten "Sesselbüchern". Das sind jene Bücher, die man blind nehmen und sich im schönen Ledersessel zu einer oder zwei Stunden gemütlicher Lektüre hinsetzen kann. Und man weiss, es werden gute Lesestunden.

Bücher von Hakan Nesser - dem Grossmeister aus Schweden - sind solche Sesselbücher. Der etwas über 70jährige Schwede schreibt seit den 80er Jahren Bücher. Seine Kommissare "Barbarotti" und "Van Veeteren" aus Maardam sind Kult. Seine Bücher schiessen sofort an die Spitze der Charts. Auch das vorliegende Werk "Ein Fremder klopft an Deine Tür". Da gibts nichts zu meckern: Tolle Story (in diesem Buch sogar drei), schöne Sprache, tolle Bilder, angemessenes Tempo. Die Sprache von Nesser und seinen Übersetzern ist grossartig. Schon nach ein paar Zeilen kennt man die präzis beschriebenen ProtagonistInnen und weiss, wie sie ticken.

Die drei Geschichten in diesem Buch handeln alle in Maardam, der einstigen Wirkungsstätte von Nessers Kommissar Van Veeteren, der hier in diesen Geschichten keine Rolle spielt. Ab und an kommt "Kommissar Jung" vor, der Nachfolger, aber seine Auftritte sind eigentlich nicht von grosser Bedeutung. Viel mehr geht es um drei hervorragend konstruierte Geschichten, die eigentlich Kriminalgeschichten sind - sich aber wie Gute-Nacht-Geschichten für Erwachsene lesen.

Wirklich: Dieses Buch kann man auch unter dem Weihnachtsbaum lesen, ohne befürchten zu müssen, dass der Baum zu nadeln beginnt. Ich habe für mein Hardcover fast 34 Franken bezahlt (im 3 km entfernten Deutschland kostet es 24 EUR). Es ist das Geld wert. Weil ein Hakan Nesser im Ledersessel - der sollte gut in den Händen liegen...

Nur eine Lüge. Von Malin Stehn.

Über die Autorin Malin Stehn schreibt der Klappentext: "...ist fasziniert von der Vielschichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen...". Die knapp über 50jährige Schwedin hat schon viele Bücher geschrieben. Das vorliegende, neuste Buch aber ist bereits jetzt ein Bestseller. Und das zu Recht. Stehn verfügt über eine sehr bildliche Schreibe, die diese eingangs erwähnte "Vielschichtigkeit" zwischen Menschen perfekt abbildet.

In dem Buch kommen allerlei Gattungen von Charakteren vor: Alkoholikerinnen, Manager, Kontrollfreaks, Sportler uvam. Alle vereint in zwei Familien und deren Entourage, die sich alle blendent verstehen. Dann passiert irgendwann mal ein Unglück und der eine Sohn einer der Familien wird schwer verletzt und bleibt im Rollstuhl. Der Sohn der anderen Familie scheint Schuld daran zu sein. So kommt es, dass sich alle verkrachen.

Und dann heiratet die Tochter der einen Familie den Sohn der anderen... Und los gehts. Der schönste Tag im Leben - wird zum Albtraum und bringt dann noch ein Geheimnis ans Tageslicht. Am Schluss ist nichts mehr so, wie es einmal war.

Die schwedische Autorin beschreibt die Protagonisten ganz toll. Das Buch lässt sich leicht lesen und die Spannung wird bis zum Ende erhalten.

Definitv eine Leseempfehlung.

Fünf Frauen. Von Matthias Wittekindt.

Matthias Wittekindts Chef Ermittler ist Kriminalkommissar Manz. Der ist allerdings längst im Ruhestand und freut sich, dass sein Enkel Matti konfirmiert wird. Und während dieser Konfirmation kommt ihm dann ein Fall in den Sinn, der sich vor 40 Jahren ereignet hat und ihn damals, mit drei kleinen Kids und deren Mutter, die nie zu Hause war, sehr beschäftigte. Und von diesem Fall handelt die Geschichte.

Wir Lesenden müssen aufpassen. Denn Wittekindt druckt seine Rückblicke in die Vergangenheit oder seine Auszüge aus der Gegenwart nicht kursiv. Sondern er wechselt hin- und her, oft auch innerhalb der Kapitel, mit derselben Schrift. So muss man sehr auf der Hut sein, dass man den Anschluss zur aktuellen Zeitzone nicht verpasst.

In der Hauptsache dreht sich die Geschichte um ein Tötungsdelikt in einem Haus. Und 80 % der Handlung spielt dann auch in diesem Berliner Haus. Wittekindt beschreibt die Zeit von damals (1983) in Berlin sehr schön und er hat auch seine beiden Figuren Manz und Borowski im Griss (es ist sein dritter Manz-Roman).

Dieses Buch beruhigt. Und im Gegensatz zu den Romanen, die ausschliesslich in der Vergangenheit spielen, bedient sich der Autor dieses Zeitsprung-Tricks. Mal spricht der Kommissar als "a.D." mit seiner Frau und kommt dann plötzlich auf einen Gedanken aus der Vergangenheit und schon ist der Kommissar wieder im Dienst und ermittelt als junger Mann. Aber alles in einem Tempo ohne Verfolgungsjagden, ohne Hochspannung. Aber mit viel Psychologie. Die Bewohnerinnen des Tatort-Hauses verlangen einem viel Fantasie ab, obwohl sie sehr gut beschrieben sind. Aber es bis zu den letzten Kapiteln nicht klar, was die Fünf Frauen vor haben und worum es eigentlich geht.

"Fünf Frauen" ist ein schönes Buch, welches einem nicht gänzlich kalt lässt. Kein Pageturner. Aber ein gutes Handwerk.

Erinnere Dich! Von Max Reiter.

Ich habe in in meinem Blog immer mal wieder einen Thriller hochleben lassen, weil er dann eben spannend, schnell und unerwartet geschrieben wurde. Und ich habe Reaktionen erhalten die mir erlauben zu denken, dass ich dann doch nicht unrecht hatte...

Nun fühle ich mich auch verpflichtet zu berichten, wenn ein Buch, welches als "Thriller" daherkommt, meines Erachtens die Voraussetzungen dafür leider nicht erfüllt. Das vorliegende Werk von Max Reiter - "Erinnere Dich!" - ist leider ein solches. Weshalb?

Die Idee zum Plot ist einfach: Ein Mann wird solange - per sms - unter Druck gesetzt, bis er glaubt, einen Mord begangen zu haben. Dieser Mindwash zieht sich über die Seiten bis zum Schluss. Da die Geschichte in Ich-Form geschrieben ist, füllen sich die Seiten zäh mit Fragen über Fragen, mit Selbstzweifeln und Gedanken, die man in einer solchen Situation hat, die aber nicht dafür da sind, ein Buch zu füllen. Die Geschichte geht quälend langsam voran, nimmt selten Fahrt auf und wenn sie es dann doch tut, dann wird sie wieder durch Hinterfragungs-Orgien gestoppt.

Natürlich gibts eine Auflösung, einen neuen Täter, der aber irgendwie so wirkt, als wäre er aus dem Zusammenhang gerissen und mit einem Dartpfeil auserkoren worden. Max Reiter hat viel Fantasie und es braucht auch Kompetenz und Talent, aus einem solchen Plot ein Buch mit über 300 Seiten zu fabrizieren. Der Autor kann schreiben. Ich denke einfach, er hat sich mit dieser Idee übernommen. Denn forscht man nach merkt man, dass Max Reiter sich - gemäss Klappentext - gerne mit der Vergangenheit der Menschen beschäftigt. Mit dem Erinnern. Und dem fehlerhaften Erinnern. Deswegen ist die Themenauswahl nachvollziehbar. Die Umsetzung aber gehört sicher nicht zum Stärksten, was Max Reiter bisher gemacht hat. Der Thrillerautor Arno Strobel schreibt: "Das Buch hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen. Verstörend und grandios!" - Nun ja, das beweist, dass es immer mehrere Meinungen gibt. Aber meine steht fest: "Daumen allerhöchstens waagerecht. Aber sicher nicht gegen oben".

Verderben. Karin Smornoff (n. Stieg Larsson)

Es braucht Mut, Selbstbewusstsein und eine grosses Talent, wenn man sich fast 20 Jahre nach Stieg Larssons Tod daran macht, eine Fortsetzung seiner Millenium-Triologie anzufangen. Eigentlich kann man ja nur verlieren. Denn die Romane um die Hackerin Lisbeth Salander und den Journalisten Mikael Blomkvist waren sehr erfolgreich und Kult. - Der Kenner (oder die Kennerin) weiss: Auch diese erwähnten Romane wurden "posthum" herausgebracht. Larsson wurde erst nach seinem frühen Tod so richtig berühmt (Wikipedia erzählt, dass er all seine Auszeichnungen "posthum" erhalten hat...).

Nun kommt also Katrin Smirnoff. Sie übernimmt von David Lagercrantz, der die erste "Fortsetzung" von der Millenium-Triologie geschriben hat und schreibt einen neuen Band: "Verderben".

Darin lässt sie die beiden altbekannten Protagonisten Mikael und Lisbeth auftreten und zwar so, dass sie sich erst irgendwo im hohen Norden - zufällig - wieder begegnen. Die beiden werden dann zusammen Aufgaben lösen, Familiengeschichten korrigieren und Action erleben.

Wer die Millenium-Triologie gelesen hat und die Nachfolgebücher von Lagercrantz kennt, wird sich auch mit Smirnoffs Verderben anfreunden. Selber Stil, gute Spannung, schnelle Geschichte, tolle Gegend - einfach alles, war zu einem Stieg Larsson-Thriller dazu gehört.

Ich kann das Buch nur empfehlen.

Nur der Mond war Zeuge. Von Josephine Tey.

Die Autorin dieses "Krimis ohne Leichen" - Josephine Tey starb 1951. Das vorliegende Buch erschien erstmals 1948 in der Originalsprache Englisch und 1959 als deutsche Übersetzung. Aber erst 2021 verlegte der Oktopusverlag bzw. der Kampusverlag das Buch neu und deswegen landete es erst jetzt auf dem Wühltisch meiner Buchhandlung des Vertrauen und gleich danach in meiner Einkaufstasche (aus Jute, kostenpflichtig - auch wenn man grad für über 120 CHF Bücher erstanden hat...).

Um es etwas abgedroschen zu formulieren: Das Warten hat sich gelohnt. Eine bemerkenswert einfache Idee wurde in eine spannende und mit britischem Humor angereicherte Geschichte verpackt. Der Plot ist einfach: Ein Mädchen taucht auf und behauptet, von 2 alleinstehenden Damen einen Monat lang entführt und gefangen gehalten worden zu sein. Ein ansonsten langweiliger Rechtsanwalt soll die beiden Damen rechtlich beraten und die Wahrheit herausfinden. Die Autorin lässt dabei wenig aus: Weder den Beschrieb der englischen "Art of Life", ein bisschen Liebeleien, viele Annahmen und Schlussfolgerungen, Überraschungen und Kulinarik - alles findet Platz in der sehr schön erzählten Geschichte von Josephine Tey, die für "die perfekt gesetzten Wörter, die kristallklare, facettenreiche Prosa" berühmt war (Zitat aus dem Vorwort von Louise Penny). Tatsächlich fügt die Autorin Dutzende von Personen in ihre Geschichte ein - und zwar eine englischer und schräger wie die andere. Ein Lesevergnügen. Vorallem um mal wieder zu erleben, wie das Leben so spielte ohne mobile Telefone oder Internet...

Ein bisschen ahnt man ein Happy End in dieser Geschichte - oder man wünscht es sich herbei. Ohne gross zu spoilern: Es geht in diese Richtung. Aber der Weg dorthin ist sehr lesenswert.

Ein schönes Buch. Unblutig und doch spannend. Kein Pageturner, aber doch ein Buch, wo man sich ärgert, wenn es zu Hause liegen bleiben würden, währenddem man selbst in den Urlaub fährt...

Sonne über Gudhjem. Von Michael Kobr

Ja die Frage drängt sich auf: Kann ein Autor, der sich (zusammen mit seinem Kollegen Klüpfel) mit einem absolut unverwechselbaren, witzigen und hoch beliebten (und sogar mehrfach verfilmten) Kommissar - Kluftinger - in den Olymp der unterhaltsamen Kriminalliteratur geschossen hat, plötzlich als Solist mit einem neuen Protagonisten Erfolg haben?

Ich möchte diese Frage beantwortet wissen und kaufe das Buch: "Sonne über Gudhjem" von Michael Kobr. Ein 420 Seiten-Buch aus dem Goldmann-Verlag mit dem Sicherheits-Sticker vorne drauf: "Michael Kobr: Bekannt von den Kluftinger-Krimis".

Es ist Kobr hoch anzurechnen, dass er mit seinem "Kluftinger" Pause macht. Nach so vielen Romanen mit demselben Ermittler, gehen einem irgendwann die Ideen aus. Also ist es gut, wenn man sich eine neue Schiene anschafft. Kobr tut dies mit dem abgehalfterten KK Lennart Ipsen (der gleich heisst, wie die lokale Müllabfuhr und gleich klar macht, dass der Kobr-Humor auch im neuen Buch weitergeführt wird!). Ipsen muss sich in seiner alten Heimat Dänemark auf der Insel Bornholm zurecht finden und schon alleine dies gibt Stoff für ein Buch. Das Verbrechen, welches natürlich gleich zu Beginn von Ipsens neuem Setup passiert, ist thematisch wirklich mal was Neues und wird recht spannend und zügig niedergeschrieben. Die Mischung zwischen Aufklärung des Verbrechens und der Angewöhnungsphase von Ipsen auf der Insel ist ausgewogen, unaufdringlich und sehr farbenfroh beschrieben. Alles in allem: Ein schönes, leichtes und rasantes Buch für den Indian Summer.

Ich würde also sagen: Ja, der Kobr kanns. - Man freut sich auf einen Fortsetzungsband: Der Ipsen bleibt ja vorerst für immer auf der Insel und es hat noch jede Menge potentielle Geschichten. Zum Beispiel bahnt sich eine zärtliche Liebesgeschichte an und die Lesenden (zumindest ich) haben sich mit Ipsen schon so angefreundet, dass man gerne mehr davon erfahren würde.

Mörderfinder. Von Arno Strobel.

Der Arno Strobel. Ich kannte diesen Autor lange nicht und wenn ich mal was von ihm gehört oder gelesen habe, dann hatte ich nie das Gefühl, dass ich sofort in die Buchhandlung rennen muss, um mir ein Strobel-Thriller zu kaufen. Doch ehrlich gesagt, könnte das eine Fehleinschätzung meinerseits sein.

Ich habe mir dann mal den neuesten Arno-Strobel-Thriller gekauft. "Mörderfinder". Und ich muss sagen, es gelüstet mich nach mehr von seinen Büchern, nur um auszukundschaften, ob dieser Stil, den Strobel für den Transport seiner Geschichten benützt, immer so ist. Nämlich: Einzigartig.

Es gibt Thriller, die würde ich meiner Frau oder einem Jugendlichen nicht ohne Weiteres empfehlen, weil sie Nerven brauchen und ungeübte Thriller-LeserInnen um den wohlverdienten Schlaf bringen. Nicht so bei Arno Strobel. Er schafft es, eine Geschichte, die viel Tiefe, Tragik und Spannung enthält, in ein langweiliges Winzerdorf im Moseltal zu schreiben, wo halt durchschnittliche Moseltalerinnen und Moseltaler arbeiten und leben. Der Ermittler wird aus seinem "Nest" in Düsseldorf gezerrt und muss sich an der lauschigen Mosel einem - zu Beginn - recht trivialen Fall annehmen. Die Spannung steigt aber, von der einen Buchseite zur nächsten, permanent und am Schluss steht man fast beim Lesen. Erstens weil die Geschichte, ganz thrillermässig, einen völlig anderen Ausgang nimmt als angenommen und zweitens erst noch mit einem eigentlich ganz anderen Thema als kolportiert endet (ich dachte schon im ersten Viertel, dass ich genau wüsste, weshalb der junge Mann aus dem Moseldorf vor zwanzig Jahren verschwunden sei und wer ihn gemeuchelt habe...). Sehr leicht lesbar und sehr gut verständlich. Einfache, verständliche Charakteren und eine klare Marschrichtung mit ganz wenigen Strängen.

Natürlich, es ist wie immer: Eine Geschmackssache. Mir aber schmeckt dieser Stil. Ein spannendes Buch, bei welchem man nicht mit dem Notizblock lesen muss (um die Stränge und die Personen zu ordnen). Es liest sich leicht und klar und ich werde mir wohl das eine oder andere Strobel-Buch nachkaufen. Nur um zu überprüfen, ob und wie sich der Stil des Autors etabliert hat.

Der nette Herr Heinlein. Von Stephan Ludwig

Meine Frau liest nicht gerne Bücher, wo Menschen niedergestochen oder auf eine andere Art gemeuchelt werden. Aber das Buch von Stephan Ludwig müsste sie trotzdem lesen. Erstens garantiert der Autor, dass in seiner Geschichte sehr viel humorvolle Passagen vorkommen. Nicht solche, wo man lauthals lachen muss, sondern slapstickartige oder tiefgründige, aber lustige Situationen. Stephan Ludwig ist der Autor der Krimiserie «Zorn», dessen erfolgreiche TV-Verfilmung immer wieder zum Grinsen verleitete. Der zweite Grund wäre dann die Figur des Protagonisten. Ein Delikatessenhändler, der seine ausgefallenen Pasteten täglich selber herstellt und an wenige Stammgäste verkauft. Die akkurate Beschreibung der Herstellung seiner Köstlichkeiten ist grossartig und lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die weiteren Baustellen in seinem Leben (der demente Vater, der autistische Assistent, sein Patenkind in Afrika und alle Akteure rund um seinen Laden) bringen den Lesenden viel Spass und Freude bei der Lektüre.

Ja und dann wären da noch die Leichen. «Der nette Herr Heinlein» gerät, natürlich völlig unverschuldet, in eine kriminelle Spirale, die einerseits eine ansehnliche Anzahl Leichen fabriziert (von denen Heinlein – so viel sei gespoilert – keine einzige direkt verantworten muss, die er aber allesamt in seinem Kühlhaus aufbewahrt) und andererseits das Wesen von Heinlein gegen seinen Willen verändert: Der «nette Herr  Heinlein» wird zum Dreh- und Angelpunkt einer Kriminalkomödie, die eigentlich nur deshalb entstanden ist, weil er ein ausgeprägtes Helfersyndrom hat. Der Schluss ist – natürlich – symptomatisch für einen durch und durch guten Menschen wie Heinlein und wird hier nicht gespoilert. Nur so viel: Er würde meiner Frau gefallen. Es ist kein «Happy End». Eher ein «Funny End».

Ein schönes Buch für Zwischendurch. Und ein Beweis, dass ein Krimi mit ein paar Leichen durchaus unterhaltend sein kann.