Das Erbe der Toten. Ian Rankin.

Ich muss zugeben: Dieses Buch hat mich überfordert! Ich musste mich regelrecht durchkämpfen und habe knapp 500 Seiten darauf gewartet, bis mich die Handlung packt und etwas Lesefreude vermittelt. Aber es kam nichts. Und das Komplizierte daran ist: ich weiss nicht einmal weshalb.

Am Autor kann es nicht liegen. Er sei - so der Klappentext - "einer der erfolgreichsten Krimiautoren der Gegenwart" (Das liest man durchschnittlich auf jedem zweiten Klappentext). Er wurde sogar mit dem "Order des britischen Empires" ausgezeichnet. Also: Schreiben kann der.

Vielleicht erklärt sich mein Missfallen damit, dass der Protagonist der Geschichte, ein abgehalfteter Ermittler, der von Autor Ian Rankin bereits 1987 zum ersten Mal eingesetzt wurde, schon seit 24 Büchern unterwegs ist und seine regelmässige Leserschaft eben schon seit bald 40 Jahren in Beschlag genommen hat. Ich bin erst jetzt dazu gekommen und werde mich wieder absetzen.

Die Handlung ist ein Sammelsurium von Themen. Rebus (eben dieser Protagonist) kümmert das nicht und er ermittelt alleine, ausser Dienst und illegal, währenddessen seine Kollegen und Kolleginnen der Polizei offenbar alles falsch sehen und immer einen Schritt hinten drein sind.

Es hat keinen grossen Sinn. Das Buch mag gut sein und die Rebus-Fans erfreuen. Ich fand nichts an dem Buch und würde das auf keinen Fall jemandem zum Lesen geben. Das ist aber meine Meinung....

Etage 13. Von C.M. Evan

Das hier ist meine persönliche Definition: Ein "Kriminalroman" (ugs: Krimi) ist eine Geschichte, die meistens mit einem toten Menschen beginnt und dessen Erzählung bzw. Geschichte sich darum dreht, wer den Menschen getötet hat und allenfalls noch warum. Ein "Thriller" hingegen muss nicht zwingend mit einer Leiche beginnen. Sondern es ist eine Geschichte, die im Laufe der Zeit immer spannender wird, unerwartete Wendungen nimmt und in den meisten Fällen recht brutal sein kann.

Ein unglaublich gutes Beispiel für einen gewaltigen Thriller ist "Etage 13" von C.M. Evan. Der Autor, der Jura und Literatur studiert hat (da muss man ja Thriller-Autor werden) beginnt seine Geschichte mit einem ganz einfachen und unverdächtigen Bewerbungsgespräch. Und sie endet in einem Desaster und der Autor nimmt alles, was er in der Trick--Kiste findet um die Lesenden zu verwirren, zu überraschen oder zu schockieren zu Hilfe. Und letztlich wird das zu einem Pageturner der Extraklasse.

Ich werde nix vom Inhalt aufschreiben. Aber ich kann garantieren, dass dieses Buch mit Sicherheit einer der besten Thriller ist, den ich in den letzten Jahren gelesen habe. Grossartige - nicht unmögliche - Geschichte in einer Umgebung, die uns allen bekannt ist. Grossartig geschrieben. Gemischt in "Ich-Form" und im Erzähl-Stil.

Spannung ist garantiert. Und falls Sie in den nächsten Tagen ein Bewerbungsgespräch vor sich haben: Viel Glück dabei. Aber lesen Sie um Himmelswillen die "Etage 13" erst danach...

Banksy und die blinde Fleck. Von Bernhard Jaumann.

Ich muss zwei Dinge vorausschicken: Erstens bin ich ein grosser Fan von Banksy. Ich gehe auch an die unauthorisierten Ausstellungen von diesem Künstler und kaufe dann dort eine Tasse oder ein Poster. Also wenn schon, dann gleich richtig. Dann zweitens: Als ich auf dieses Buch gestossen bin, wurden deshalb sämtliche Kauf-Kriterien über Bord geworfen. Ich musste das einfach erstehen!

Das ist dann auch ein sehr aussergewöhnliches Buch: Es ist als "Kriminalroman" deklariert. Die Protagonisten sind Privatdetektive einer Agentur, die sich auf Kriminalität in der Kunstszene spezialisiert hat und das Verbrechen, welches letztlich zu einer Verhaftung führt, geschieht auf den letzten 100 von 300 Seiten und ist eigentlich ein Verkehrsunfall. Die "Straffälle" an sich sind Ratten, von welchen niemand weiss, ob sie vom Original-Banksy oder einem Nachahmer in München in grosser Zahl an verschiedene Mauern gesprüht werden. Der Hype, der um diese aufgesprayten Tiere entsteht, ist enorm und endet bei Auktionen, bei welchem die Werke Höchstpreise erzielen.

In diesem Buch spielt Banksy die Hauptrolle, obwohl er - vielleicht - gar nie auftaucht. Aber es wird sehr viel über seine Identität, seine Arbeiten, sein Leben, seine Arbeitsweise und sein Umfeld geschrieben. Für einen Banksy-Fan ein Paradies.

Die Geschichte interpretiert den Begriff "Kriminalroman" auf eine ganz neue Weise: Ein Krimi braucht nicht zwingend einen ermordeten Menschen, um als "Krimi" deklariert zu sein. Es braucht einfach ein paar kriminelle Handlungen und sogar diese sind nicht ganz offensichtlich und klar. Sind den "Kunstwerke" von Banksy kriminell? Letztlich entsteht in München - wie beschrieben - ein kolossaler Hype um diese Sprayereien, sodass ganze Garagentore demontiert und versteigert werden.

Das Buch ist Klasse. Und ich glaube nicht nur, weil ich Banksy mag. Sondern weil es einerseits witzig geschrieben ist, weil es mal einen ganz anderen Anspruch an einen Krimi erfüllt und weil es sogar noch lehrreich ist. Letztlich geht es zwar dann doch noch um eine kriminelle Verschwörung. Die allerdings ist eher unblutig und harmlos.

Der Autor Bernhard Jaumann ist ein Münchner. Seine Sprache ist sauber und seine Mischung zwischen Dialogen und Geschichte ist ausgewogen, lesbar. Der Plot lebt von einem langsamen Aufbau und einer unerhört präzisen Beschreibung des Phänomens "Banksy". Dies ist der dritte Band der Reihe um die Kunstdetektei "von Schleewitz". Und hoffentlich nicht der letzte.

Sternenfeld. Von Rolf von Siebenthal.

Nach der Lektüre dieses Buches beschäftigen mich zwei Dinge.

Rolf von Siebenthal schreibt in seinem Nachwort: "Wie für jeden meiner Krimis gilt: Diese Geschichte ist Fiktion, die Personen und Ereignissie sind frei erfunden. Real dagegen sind die Orte und Schauplätze, die in diesem Buch beschrieben werden." Soweit so klar: Birsfelden, Basel, Lauwil, der Hafen oder der Friedhof Uster - alles real. Raab, seine Freundin, deren Tochter, die Mafia, die Pflegefachfrau und sein alter Mentor - alles erfunden. - Mit dem könnte man ja gut klar kommen.

Nun kommen aber in diesem Buch dermassen viele Schiessereien und Tötungen vor, die in einer "realexistierenden" Stadt wie Birsfelden oder Basel wohl eine Ausgangssperre auslösen würden. Oder anders gesagt: Diese Rezension entsteht an jenem Sonntag im März 2023, als man in Niederkassel-Lülsdorf (DE) eine tatsächliche Leiche kopfüber in einem Abfluss-Schacht gefunden hat. Also ziemlich spektakulrär. Und tatsächlich: innert Kürze war die Nachricht in ganz Europa verteilt und in Lülsdorf ist die Welt nicht mehr so, wie sie vorher war. - Wenn sich aber der Protagonist Raab eine Schlacht an einer Tankstelle in Reigoldswil liefert oder zum Schluss des Buches zwei alte SchulkollegInnen ermordet und sie dann in den Rhein wirft, das geht an dieser Stadt bzw. der Geschichte spurlos vorbei. Das ist weit weg von der Realität und stört, zumindest mich, ein bisschen. Wenn denn schon "alle Orte und Schauplätze" real sind, dann dürfte sich auch das Leben dort (welches bei den Raab-Geschichten generell kaum stattfindet) etwas realer anfühlen.

Das zweite ist sehr persönlich und darf eigentlich hier gar nicht stehen. Trotzdem: Mich ärgert die immer wieder bemühte Geschichte des "Sich selbst Entlassens aus dem Spital", nur um zu beschreiben, was der Protagonist doch für ein harter Kerl ist (komischerweise kommt das bei Frauen höchst selten vor...). Dieser literarische Trick wird immer wieder bemüht. Sowohl in Büchern wie auch in Filmen - meistens in Krimis. Und mich langweilt er. In vorliegenden Fall gehts dem Selbstentlassenen wenigstens danach richtig dreckig (was ihn aber nicht am Töten hindert...). Bei andern Fällen spazieren die Patienten tags darauf herum, als hätten sie die Physiotherapeutin geheiratet.

Was Spass macht an diesem Buch ist die Anlage der Teilnehmenden: Der Protagonist ist kein verschrobener Kommissär, kein pensonierter und gelangweilter Arzt, kein Rentnercop oder auch kein Wirt - sondern selber ein Krimineller, der eigentlich, wenn das Leben normal läuft, innert 20 Minuten ein Haus leerräumt. Dabei trifft er dann - zum Auftakt eines Bandes - auf Leichen oder andere Kriminelle. Das ist, das will ich gerne zugeben, sehr amüsant und vor allem gut erfunden.

Der Autor ist - gemäss Klappentext - ausgebildeter Sekundarlehrer und ein "Schreiberling" aus Passion. Das merkt und geniesst man. Das Geschriebene ist flüssig, schön und leicht zum Lesen.

Damit wir uns alle richtig verstehen: Ich fand diesen Band zwar etwas "too much". Aber die Geschichten mit Raab sind spannend und etwas anders als andere... Zudem: auf den letzten sieben Seiten des Buches druckt Rolf von Siebenthal das erste Kapitel des im Frühjahr 2024 erscheinenden, nächsten Abenteurers des Einbrechers Raab ab. Und ich werde auch diese Geschichte dannzumal lesen.

Die Schatten von Paris. Von Ulrich Wickert.

Ich wollte es einfach wissen und das ist der einzige Grund, weshalb das Buch auf meinem Nachttisch gelandet ist: Kann ein (TV-)Journalist, der sich Abend für Abend in die Wohnstuben der Deutschen moderiert hat und der auch für die Gestaltung eines spannenden Abends ein Telefonbuch vorlesen könnte, ja kann ein solcher Journalist auch einen spannenden Kriminalroman verfassen?

Natürlich kann er. Erstens schaffte es das Buch auf die Bestsellerliste von SPIEGEL (was - das wissen die LeserInnen dieses Blogs nur zu gut - nicht immer ein Gütezeichen ist). Zweitens ist es nicht der erste Krimi von Ulrich Wickert, der insgesamt schon über 30 Bücher veröffentlicht hat. Darunter einige Kriminalromane. Ja und drittens beherrscht der Mann die deutsche Sprache nicht nur bei den Tagesthemen, sondern auch schriftlich.

Es ist eine Wohltat, dieses vorliegende Buch Der Schatten von Paris. Man merkt es dem Buch an, dass der Autor Wickert in PARIS und in Frankreich eine zweite Heimat gefunden hat. Jede Wette, dass all die Personen der Nebenhandlungen (also der Wirt, der den Kaffee serviert oder der Taxichauffeur) im richtigen Leben existieren. Wickert hat die Gabe der Beobachtung und schreibt diese nieder. Auch der Beschrieb der Pariser Restaurants und deren Angebote kennt der Autor nicht vom Internet, sondern sicherlich von der eigenhändigen Erfahrung. Und das spürt man bei jedem Satz. Bei solchen "autobiografischen Schilderungen" läuft man immer die Gefahr, dass der Autor oder die Autorin etwas zu dick auftragen. Ulrich Wickert schrammt knapp an dieser Grenze vorbei. Man befürchtet manchmal, dass auch der Toilettengang aus französischer Sicht noch beschrieben wird...

Die Personen, die in der Geschichte mitspielen, sind - mit Ausnahme einiger der Bösen - Französinnen und Franzosen und benehmen sich so. Beim Essen, beim Leben und zu Hause. Auch dies wird von Ulrich Wickert sehr authentisch rübergebracht.

Ach ja, nebenbei spinnt sich Wickert eine durchaus logische, nicht übertriebene und doch actionreiche Agentengeschichte zusammen. Es wird viel geschossen in Paris und Umgebung, aber Wickert übertreibt nicht, hält die Geschichte am Laufen und bringt die Lesenden nicht durcheinander. Nicht einmal musste ich zurückblättern um herauszufinden, wer nun die ebenbeschriebene Person eigentlich ist...

Das Buch kostet - im Hardcover - über 30 Franken. Aber es lohnt sich, zumindest bei diesem TV-Star... Nicht dass ich jetzt sämtliche Wickert-Krimis nachkaufe. Aber ich warte doch gespannt, ob da noch was kommt...

Der Fluch. Von Wolfgang Wettstein.

Der Names des Autors weist auf Basel hin. Das ist aber eine falsche Fährte. Wettstein hat seine Basis in Zürich. Er ist – gemäss Klappentext – erfolgreicher Journalist (beim seriösen SRF) und studiert Theologie an der Uni Zürich. Zudem erscheint das Buch im Theologischen Verlag Zürich. All diese Fakten haben mich dazu bewogen, den Kriminalroman – Der Fluch – vom Wühltisch in der Buchhandlung zu nehmen und ihn zu kaufen. Es sei immerhin Wettsteins dritter Krimi und sein zweiter (Feuertod am Sechseläuten, 2017) wurde mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet.

Die Lektüre dieses Buches war dann aber schon sehr fordernd. Wenn in einem TV Film ein nackter Busen blitzt oder ein Mensch dem andern eine etwas stärkere Ohrfeige verpasst, wird das Schutzalter sofort auf 16 Jahre angehoben und in der Mediathek wird der Film bis 22 Uhr gesperrt, weil dann offensichtlich alle unter 16 schlafen.

Bei einem Buch gibt es das nicht. Im vorliegenden Falle allerdings wäre das vielleicht angebracht gewesen… Die Geschichte mit dem buckligen Rechtsmediziner «Sokrates» in einer Hauptrolle zeichnet sich durch detailgetreue und akribisch recherchierte Beschreibungen von Vorgängen aus, die bei anderen Büchern in zwei Sätzen abgehandelt werden. Wettstein beschreibt zum Beispiel eine von «Sokrates» vorgenommene Autopsie so im Detail, dass man einen guten Magen haben muss, um das ohne Würgereflexe durchzustehen. Dasselbe mit erotischen Gesprächen und Tätigkeiten: Da wird dem Liebesspiel zweier Menschen ein ganzes Kapitel gewidmet. Nicht vulgär, gar nicht. Aber eben detailliert… Oder der Besuch im KZ Auschwitz – da wird mit Rückblenden in die Schreckenszeit gearbeitet und manchmal stockt der Atem, so detailliert werden die Morde im KZ beschrieben.

Daneben läuft eine Geschichte ab, die dann halt, nebst der Ermittlungsarbeiten mit Judenverfolgung und -hass und Raubkunst zu tun hat und viele dieser Aspekte fundiert beschreibt. Man merkt dem Buch an, dass der Autor ein Theologe ist. Das macht Freude. Es gibt durchaus auch Szenen, welche die Lesenden rühren, z.B. wenn der bucklige Sokrates sich auf der Schwelle zur Verliebtheit befindet und mit seiner «Dame» ins Theater geht (dessen Inhalt auch sehr ausführlich beschrieben wird). Und dies wird durch den Autor herrlich erzählt.

Kurz: Dieses Buch kommt sehr unauffällig und harmlos daher. Die Lektüre hat aber einen höheren Schwierigkeitsgrad als angenommen. Und vielleicht ist es nicht so wie beim TV: Es könnte sein, dass das Buch besser vor 22  Uhr gelesen wird…

Die Giftköchin. Von Arto Paasilinna

Das Setup der Geschichte ähnelt sehr jener vom "Geständnis einer Hunderjährigen" (Yvette Kolb; gecheckt in diesem Blog): eine alte, unschuldig wirkende Frau meuchelt ein paar unliebsame Zeitgenossen aus dem Weg. Bei Kolb's Roman erfährt man das erstmals am Ende des Lebens der Protagonistin, bei einer Beichte an einen imaginären Kommissar. Der finnische Autor nahm in diesem Buch eine Geschichte zu Hilfe, die der alten Frau - die eher zufällig zur Giftköchin wird - geschieht. Und Paasailinna erzählt diese Geschichte herrlich authentisch. Was natürlich auch bedeutet, dass wenn randaliert, geschlagen, gestritten und verletzt wird, dies in der vielleicht für Finnen typischen kalten und emtionslosen Art passiert.

Man kommt als Leser/in aber gut darüber hinweg. Denn in diesem Buch blitzt der Schalk und der Humor von Arto Paasilinna durch. Es erinnert an den Schreibstil von Jonas Jonasson (Der Hunderjährige...) oder eben ... Yvette Kolb. Er beschreibt die Menschen Finnlands und ihre Tätigkeiten hervorragend und hat sich nicht zuletzt deswegen in die Kategorie der beliebtesten Autoren Finnlands vorgearbeitet.

Das Lesevergnügen wird zusätzlich erhöht, wenn man auch ein bisschen ein Finnland-Fan ist. Da die Geschichte in Harmisto/Siuntio und dann auch in Helsinki spielt, wird viel getrunken und viel "sauniert". Es wird Schiff gefahren, gefroren und die Namen sind teilweise unaussprechlich. Finnisch eben.

An diesem kleinen, herrlichen Roman kann man nicht viel herumnörgeln. Es ist kein literarisches Wunderwerk aber sehr gut und leicht lesbar. Fortsetzung gibt es keine. Denn erstens wird die Protagonistin am Ende des Buches in die Hölle umziehen und dort im allerletzten Abschnitt des Buches mit ihrem längst verstorbenen Mann wieder vereint. Und zweitens lebt der Autor Arto Paasilinna seit 2018 auch nicht mehr.

Die Passage nach Maskat. Von Cay Rademacher.

Gut, das ist jetzt vielleicht etwas peinlich, aber man kann ja nicht alles schon gelesen haben. Ich gebe also zu: Ein Buch von Cay Rademacher hat es bis jetzt noch nie auf meinen Nachttisch geschafft! Es kommt noch schlimmer: Ich habe den Namen Cay Rademacher eigentlich noch gar nie gelesen.

Nun also liegt das Buch "Die Passage nach Maskat" ausgelesen vor mir. Und ich muss sagen: Grossartig!

Der Kriminalroman handelt in den späten 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts und beschreibt - neben dem "Kriminalfall" - eine ausgedehnte Reise eines Ozeandampfers (unbedingt ein Bild googlen vor der Lektüre, damit das Kopfkino funktioniert...) von Marseille durch das Mittelmeer, den Suezkanal nach Maskat im Oman. Und Rademacher packt hier wirklich eine grossartige Sprache aus und beschreibt genau im richtigen, zumut- und verarbeitungsbaren Umfang, wie sich so eine Reise von hundert Jahren abgespielt haben muss: Die Trennung der Klassen auf dem Schiff, die Kleidungen, die Mahlzeiten, die Ausflüge in "Panhards" (googeln!) und vieles andere mehr. Rademacher nimmt die Lesenden mit auf das Schiff. Das ist ganz grosses Handwerk.

Die Geschichte selbst ist spannend und verrückt und somit auch am Limit der Glaubwürdigkeit - wenn man das aus heutiger Sicht betrachten würde. Vor hundert Jahren allerdings, wäre so ein "verschwundener Passagier" vielleicht schon möglich. Man lässt es sich gerne erzählen.

Also: Cay Rademacher hat schon 14 Romane veröffentlicht im DuMont-Verlag (und ich haben KEINEN gelesen, ich weiss nicht, wo ich hinblicken soll...). Man darf also ruhig annehmen, dass Monsieur Rademacher, der mit seiner Family in der Provance lebt, das Metier des Schreibens beherrscht. Ich stimme dem voll und ganz zu und kann dieses Buch emfpehlen!

Basler Gleichstand. Von Wolfgang Bortlik.

Man könnte draufkommen beim raschen Durchblättern des Buches vor dem Kauf: Wolfgang Bortliks Buch "Basler Gleichstand" kommt mit extrem wenig Dialogen aus. In diesem Buch wird seitenweise und durch ganz Kapitel eigentlich nur nachgedacht und erzählt, beschrieben und analysiert. Und sehr wenig gesprochen. Das empfinde ich persönlich als wenig spannend, wenn es denn nicht um Ereignisse geht, die spannend oder völlig neu sind. Und das ist bei dieser Geschichte nicht wirklich der Fall.

Wir bewegen uns beim "Basler Gleichstand" in der Region "Ökoterrorismus" und werden - eben durch viele dialoglose Seiten auch in die Zeit der RAF zurückgeschleudert, wenn auch kurzzeitig und nur, weil ein Pamphlet aus dieser Zeit verschwunden ist.

Die Geschichte ist schön und wäre vielleicht spannend, wenn sie ebenso zu lesen wäre. Aber man driftet allzu oft in Gedankengänge ab, die wenig vorteilhaft für das Vorankommen der Geschichte sind.

Wolfgang Bortlik, der in Riehen/BS lebende Münchner ist ein grosser Fussballfan (was man natürlich in seinem Werk merkt: Sein Protagonist und einer der "Bösen" spielen beide Fussball und erst noch zusammen...) und hat mit seinem in diesem Blog besprochenen Werk "Allzumenschliches" - Friederich Nietzsche ermittelt! (https://www.buechercheck.com/2021/02/06/allzumenschliches-friederich-nietzsche-ermittelt-von-wolfgang-bortlik/) einen grossen Erfolg gelandet und hat mir persönlich eine grosse Lesefreude gemacht. Leider stellt sich mir beim "Basler Gleichstand" nichts Derartiges ein: eine harmlose Geschichte in einem Erzählstil, den ich nur bei aussergewöhnlichen Themen richtig gut finde.

Allerdings: Bortlik schreibt viele gute Bücher. Und wenn mir persönlich der "Basler Gleichstand" jetzt nicht eingefahren ist, dann heisst das nicht viel. Ich würde ihn nicht mehr kaufen und nicht mehr lesen. Aber ein nächstes Buch von Bortlik - warum nicht?

Die Hyänen. Von Lee Child.

«Die Hyänen» ist ein weiteres Buch in der Jack Reacher-Reihe von Lee Child. Jack Reacher, der ehemalige Militärpolizist ist ein Mann der wenigen Worte. Er arbeitet und handelt hoch analytisch und spricht «faadegrad». Keine unnötigen LeserInnen-Belehrungen. Sondern klare und deutliche Ansagen.

Er wird als «Hühne» bezeichnet und die Fans streiten sich, ob der kleine Tom Cruise der richtige Film-Reacher war (Nun spielt Alan Ritchson den Reacher und trifft die Gunst der Fans…). Am Anfang eines Abenteuers – auch im vorliegenden – kommt Reacher von irgendwoher mit dem Bus und steigt dann in einer zufälligen Stadt in Amerika aus, wo er dann halt sofort in ein Verbrechen gerät. Im Durchschnitt benötigt er ca. 400 Romanseiten, bis er die Stadt wieder verlässt. Im Bus. Zurück lässt er ein paar tote Bösewichte, oft auch eine Liebelei und ein paar gerächte oder rehabilitierte Gutbürger.

Das ist auch bei «Die Hyänen» so. Reacher mischt zwei rivalisierende Gruppen in einer Stadt auf und begibt sich, zusammen mit einer temporären Komplizin in allerlei Gefahren und Gemetzel. Alles um einem alten Mann und seiner Frau die Kredithaie (oder eben die Hyänen) vom Hals zu halten.

Für meinen Geschmack produziert Reacher (oder Lee Child) in diesem Buch ein paar Tote zuviel. Es wird gemetzelt und erschossen, als gäbe es kein Morgen mehr. Anonsten ist das Buch ein typischer «Jack Reacher»-Plot. Man kann sich darauf verlassen: Reacher gewinnt immer. Und er wird am Ende des Buches in einen Bus steigen und so lange umehr reisen (ohne Gepäck, das nötigste kauft er sich immer unterwegs…), bis Lee Child für ihn ein neues Abenteuer hat. Dann steigt er wieder aus.

Fazit: Wer Spannung, Action, einen gewissen Witz und einen sehr schönen und schnörkellosen Schreibstil ohne Geschwurbel und Lehrstunden mag, vorgetragen von einem Protagonisten, dem man ohne Zögern in den dunklen Wald folgen würde – der darf sich ruhig mit Jack Reacher einlassen.