Zauberberg 2.0. Von Heinz Strunk.

Darauf muss einer auch erst mal kommen: Man nimmt einen Bestseller aus dem letzten Literaturjahrhundert und schreibt ihn auf die Aktualität um. Auf die nicht alltägliche Idee kam der deutsche Autor Heinz Strunk, als er realisierte, dass Thomas Mann seinen «Zauberberg» 1924 veröffentlicht hatte. Als Hommage an den Titanen legt der dreiundsechzigjährige Schriftsteller und Musiker daraufhin unter der Bezeichnung «Zauberberg 2.0» letztes Jahr eine Adapation vor. In dessen Mittelpunkt steht nicht Hans Castorps Luftkur in Davos, sondern die Burnout-Rehabilitation der Hauptfigur Jonas Heidbrink in der gottverlassenen Einöde der Mecklenburg-Vorpommer’schen Provinz.  

Man muss Ähnliches selber erlebt haben, um die köstliche Schilderung des nicht endenwollenden Rehaprogramms des ausgebrannten IT-Managers und der ihn dabei unterstützenden Fachkräfte vollumfänglich würdigen zu können. Auch die Charakterisierung der Mitpatientinnen und -patienten kommt jedem bekannt vor, der schon in einem derartigen Sanatorium seine Entlassung oder wenigstens einen Einzeltisch für die Mahlzeiten herbeigesehnt hat. Derartige Fluchtreflexe scheint Heidbrink allerdings nicht zu kennen: Während um ihn herum Gast um Gast kommt und auch wieder geht, verbringt der Mann in den besten Jahren duldsam Monate hinter den unsichtbaren Gittern der straff geführten Organisation.

Bemerkenswert ist, dass Strunk seine «Zauberberg»-Variation nicht vollständig neu aufgegleist hat, sondern immer mal wieder längere Abschnitte aus dem Original der neuen Zeit und der anderen Situation anpasst. Manchmal zitiert er auch wörtlich, weshalb ein beträchtlicher Teil der 288 Seiten des gebundenen Buchs aus Verweisen auf diese Bezüge besteht.

Man kann das Buch geniessen, ohne dass man Manns Original kennt. Es erhöht den Lesegenuss aber doch beträchtlich, wenn man es tut.

Wackelkontakt. Von Wolf Haas.

Natürlich denkt man erst einmal an den Privatdetektiv Brenner, wenn man ein neues Buch von Wolf Haas in die Hand nimmt. Nicht nur mit «Eigentum», dem berührenden Nachruf auf seine Mutter (https://www.buechercheck.com/2024/02/01/eigentum-von-wolf-haas/) hat der 65-jährige Österreicher aber gezeigt, dass er auch ohne seine Kultfigur witzigen Stoff abliefern kann. «Wackelkontakt» ist sein neuestes Opus; ich habe es mit grossem Vergnügen gelesen.

Haas ist etwas Interessantes gelungen, nämlich ein Buch, das gleichzeitig von drei Personen in allen möglichen Situationen zur Hand genommen und gelesen wird. Die eine ist Franz Escher, der auf den Elektriker wartet, weil seine Steckdose einen Wackelkontakt hat. Er liest ein Buch über den Mafia-Kronzeugen Elio Russo, der als Marco Steiner in einem Zeugenschutzprogramm von Italien nach Deutschland abgeschoben werden soll. Sein deutscher Mitgefangener hat ihm fürs Deutschtraining ein Buch über einen Franz Escher, der auf den Elektriker wartet, in der Zelle gelassen. Im Fortgang der Lektüre verflechten sich die beiden Geschichten zu einer, die abwechslungsweise von Franz, Elio und später auch dessen Tochter Ala handelt und von ihnen gelesen wird. Die witzige Story über einen toten Handwerker, familiäre Geheimnisse und mafiöse Verstrickungen gerät zu einem Feuerwerk von Humor und Spannung, das die Protagonisten mit immer verblüffenderen Parallelen zu ihrer eigenen Wirklichkeit konfrontiert.

An dieser originellen Erzähltechnik gefällt besonders, dass die Perspektiven von Franz, Elio und Ala im Layout nicht besonders markiert werden, sondern nahtlos und manchmal mitten im Fliesstext wechseln. Mehr als einmal musste ich einen solchen Übergang nochmals lesen, um den Sprung von einem Erzählstrang zum anderen mitzubekommen. Und gegen Schluss nimmt die witzige Handlung dermassen viel Fahrt auf, dass man die letzten der 160 Seiten bis hin zur verblüffenden Auflösung dieses Mafia-Thrillers atemlos verschlingt.       

Pi mal Daumen. Von Alina Bronsky.

Wie es der Buchtitel vermuten lässt, entführt uns die russisch-deutsche Autorin Alina Bronsky mit ihrem neuesten Buch in die Welt der Mathematiker. Wer von dieser schwierigen Materie und ihren Fachausdrücken wenig Ahnung hat, kann einige Passagen aber getrost überspringen; es bleibt immer noch genug Stoff für ein unterhaltsames Leseerlebnis übrig.

In der Geschichte geht es um zwei ungleiche Studierende der Mathematik. Ein hochbegabter und entsprechend nerdiger 16-Jähriger aus adligem Haus trifft im Hörsaal auf die jung gebliebene (und aussehende) Grossmutter, die sich ohne das Wissen ihrer Kinder und Enkel den Traum vom Studium erfüllt. Nachdem Oscar diese Monika Kosinsky erst für die Putzfrau der Mensa gehalten hat, gibt er ihr mit guten Ratschlägen und gelegentlichen Spickzetteln gutmütig Starthilfe in die vermeintliche terra incognita. Nach diversen Irrungen und Wirrungen, die auch in die beiderseitigen Familien ausstrahlen, entwickelt sich aus der Studien- eine zeitweilige Lebensgemeinschaft dieser total unterschiedlichen Charaktere aus zwei völlig verschiedenen Welten.

Gegen Ende des Romans stellt sich allerdings heraus, dass Monika Kosinsky eine Vergangenheit und durch diese mehr Ahnung von Mathe und ihren Geheimnissen hat als es sich Oscar je hätte vorstellen können. Wie er neidvoll erkennen muss, hat sie in ihrer Jugend sogar seinen bewunderten Professor gekannt. Nun ist dieser Monis Doktorvater und winkt ihre Masterarbeit kommentarlos durch. Auch deren Verteidigung im Hörsaal gerät Moni zum Triumph. Das Ending ist allerdings dann nicht so happy, wie man es zum Schluss eines Wohlfühlromans erwarten könnte. Auch bleibt offen, ob die Spätberufene ihre Karriere weiterverfolgt und wie sich die ungleiche Liaison des Jünglings mit der Oma weiter entwickelt.

Ich sag’s Pi mal Daumen so: Leichte Lektüre, die man nicht gelesen haben muss, die einem aber gut unterhält.     

Hey, guten Morgen, wie geht es Dir? Von Martina Hefter.

Während ich diesen Check schreibe, berichtet das Radio von einer deutschen Dame, die Elon Musk 12'000 Euro überwiesen hat und sich danach wunderte, weshalb dieser auf Nimmerwiederhören und mitsamt der Kohle aus ihrem Leben verschwunden ist. Dass der Welt reichster Mann sie auf einer nigerianischen Telefonworwahl kontaktiert und eine momentane finanzielle Notlage geltend gemacht hatte, hat die Gute offenbar nicht misstrauisch gemacht …

In dieses Milieu des «Love Scammings» entführt uns die 59-jährige deutsche Schriftstellerin Martina Hefter in ihrem Roman «Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?». Mit ihrer Hauptfigur teilt die Autorin das Alter und den Beruf als Performerin; ob sie auch einen schwerkranken Mann namens Jupiter zu betreuen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Zur Ablenkung von der fordernden Aufgabe und ihrer prekären beruflichen Situation chattet diese Juno in schlaflosen Nächten auf Datingplattformen mit professionellen Betrügern, die leichtgläubigen Frauen mit gefakten Profilen Liebe vorgaukeln, bevor sie sie im Idealfall – für sie - ausnehmen wie Weihnachtsgänse.

Juno spielt das Spiel dieser «reichen Unternehmer», «pensionierten Piloten» und «gut situierten Alt-Studienräten» jeweils eine Weile mit und garniert es mit eigenen Lebenslügen aus, bevor sie die arbeitslosen Boys in den Internet-Cafés in Afrika erbarmungslos enttarnt. Mit einem von ihnen chattet sie jedoch auch danach weiter und trotz der Entfernung entsteht eine Verbindung mit diesem Benu.

Hefter ist für diesen tiefgründigen, aber dennoch humorvollen und vor allem nie zynischen Roman 2024 verdientermassen mehrfach ausgezeichnet worden. Als Höhepunkt hat sie damit auch den Deutschen Buchpreis gewonnen, und den hat sie sich mit diesem Buch redlich verdient. Es kommt vordergründig leicht und luftig daher und macht bei der Lektüre jede Menge Spass. Aber es ist grosse Literatur, und man lernt nebenbei einiges über die Motive dieser Internet-«Elon Musks» und der von ihnen eingewickelten Frauen …     

Die Spielerin. Von Isabelle Lehn.

«Mal was anderes …» ist versucht zu sagen, wer «bad banking» und das skrupellose Geschäftsgebaren von dessen Akteuren ausschliesslich Männern zutraut. In der «Spielerin» von Isabelle Lehn lernen wir nämlich eine Frau kennen, die ihre Bankerkollegen an Raffinesse, Risikobereitschaft und krimineller Energie um etliches übertrifft. Die unauffällige Deutsche aus der niedersächsischen Provinz hat sich das Rüstzeug für ihre erfolgreiche Karriere in Zürich geholt, wo sie sich in der intriganten Finanzwelt gegen die tonangebenden Platzhirsche zu behaupten wusste.

Mit dem am Paradeplatz erworbenen Know-how macht A., wie sie im Buch ausschliesslich genannt wird, dann ihr eigenes Ding. Sie fädelt krumme Geschäfte ein, führt Kunden und Partner an der Nase herum und nützt jedes Schlupfloch des Gesetzes. Damit kommt sie nicht nur zu einem beträchtlichen Vermögen, sondern zieht auch die Aufmerksamkeit krimineller Kreise auf sich. Schliesslich arbeitet sie sich zur weltweit operierenden Buchhalterin der kalabresischen Mafia hoch, welche sie mit einer Schlüsselrolle in einer monumentalen Geldwäsche betraut. A. wird als gewöhnliche Telefonistin in eine marode deutsche Nachrichtenagentur eingeschleust und gibt vor, dieser einen fiktiven Investor zuzuhalten. Bei diesem gigantischen Geldwäschecoup fliegt sie allerdings auf; das Buch beginnt mit der Gerichtsverhandlung.

Der Roman bietet einen aufschlussreichen Einblick in die Mechanismen von Finanzbetrug und die weltweite Vernetzung seiner Akteure. In den fachlichen Exkursen ihrer Story geht der Gaul allerdings manchmal mit Lehn durch. Längere Passagen ihrer Erläuterungen zu Rahmenbedingungen und Hintergründen des halbseidenen internationalen Finanzgeschäfts versteht nur, wer zumindest die ersten Semester eines Ökonomiestudiums erfolgreich absolviert hat.

Abgesehen von diesem Handicap für Nichtfinancer lesen sich die 270 Seiten nicht nur spannend und unterhaltsam, sondern vermitteln auch einen Mehrwert an Wissen über eine gesetzliche Grauzone, aus der uns immer wieder die Tagesmedien berichten.    

Fluchtnovelle. Von Thomas Strässle.

Was eine Novelle ist, lernt man bereits im Germanistikstudium: Kürzer als ein Roman, länger als eine Kurzgeschichte. Der Autor Thomas Strässle, der hie und da in der Runde des «Literaturclubs» von Fernsehen SRF sitzt, setzt als Professor der Literaturwissenschaft diese Definition in seiner Schilderung einer Flucht aus der kommunistischen Deutschen Demokratischen Republik in den 1960er-Jahren perfekt um.

Strässle erzählt in «Fluchtnovelle» die Geschichte seiner Eltern, die sich als 21- respektive 23-Jährige in der DDR ineinander verliebten. Bald schmiedete der junge Schweizer Fluchtpläne für seine ostdeutsche Freundin, was auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs bekanntlich hochriskant war und bei der Umsetzung meist in einem Gefängnis oder gar mit dem Tod endete. Strässles Vater wählte für den Menschenschmuggel aber nicht einen der meist aussichtlosen Wege wie Tunnels oder gar Ballone. Vielmehr setzte er Kopf, Verstand, List und Scharfsinn ein.  

Der Plot: Aus der DDR ausreisen darf die junge Frau nur in einen kommunistischen Staat. So trifft der Mann seine Freundin in Prag, verwandelt sie dort mit mitgebrachten Kleidern in eine zuvor aus der Schweiz in die Tschechoslowakei eingereiste Touristin - und lässt sie mit gefälschten Papier als solche wieder ausreisen. Ganz Novellist, verzichtet Strässle auf die Dramatik, mit der viele andere Autoren dieses Szenario hochgepimpt hätten. Zurückhaltend und sachlich schildert er Planung, Vorbereitung und Durchführung des Unternehmens auch in dessen heiklen Momenten. So stellt sich beispielsweise heraus, dass die tschechischen Grenzer kurz vor dem Tag der Flucht die Farbe des perfekt gefakten Ausreisestempels geändert haben. Aber die Verliebten behalten kühlen Kopf und kaltes Blut - und die Flucht gelingt.   

Dass dieser glückliche Ausgang hier gespoilert wird, zeigt schon, dass «Fluchtnovelle» kein Thriller ist. Der Plan geht auf, kritische Moment bleiben allesamt folgenlos. Trotzdem liest man die 120 Seiten in einem Zug weg. «Ein gutes Buch», urteilt Literaturpäpstin Elke Heidenreich. Und wenn sie auch mit Strässle hie und da im SRF-Rund buchtalkt, fällt sie damit meiner Meinung nach kein Gefälligkeitsurteil ...

Ein Brief aus München. Von Hakan Nesser.

Ich habe mich in einem kürzlichen Check negativ über ein Buch geäussert, welches mir nicht gefallen hat und welches ich sogar nach 2/3 der Lektüre beiseite gelegt hatte (Der Steg). Ich hatte bemängelt, dass die Autorin die Tat sehr früh geschehen liess und dann die Geschichte mittels Betrachtungen der einzelnen Protagonisten versucht hat, weiter zu treiben. Was ihr - nach meiner Meinung nach - misslungen ist.

Als nächstes habe ich mir dann das Buch „Brief aus München“ von Hakan Nesser vom Nachttisch genommen. Der Zufall wollte es, dass der Aufbau beinahe identisch zum „Der Steg“ war: Ein Todesfall, der zu Beginn des Buches geschieht und dann die Betrachtung der weiteren Abläufe und Gedanken durch die einzelnen Anwesenden, die unterschiedlicher nicht sein können. Zusätzlich angetrieben durch die Ermittlungen des Ermittlerpaares Barbarotti/Backmann (mit wundervollen, zwischenmenschlichen Kabbeleien). Und angereichert mit Erinnerungen an die Pandemie und die dazugehörenden Aktionen und Reaktionen.

Und es war, als wollte mich die Lesegöttin im Bücherhimmel dafür entschädigen, dass ich ein weniger gutes Buch gelesen hatte: Das Buch vom Altmeister Hakan Nesser ist wieder einmal grosse Klasse! Seine Erzählkunst, die Plotidee, das barbarotti-typische Ermitteln ohne schnelles Auto und Pistole, dafür aber mit Menschenverstand und einer gesunden Portion Phlegma und Lebensqualität. Wirklich herrlich. Das Zitat aus Stern Crime: "Keiner blickt so tief in die Seele der eigenen Figuren wie Nesser“ umschreibt das, was man in diesem Buch zu lesen bekommt, ziemlich gut. Auch dieses Buch hat 430 Seiten. Aber Hakan Nessers Fähigkeit der Kapitelgestaltung lässt keinen Platz für Langfädigkeit.

Und noch was: Nesser käme nie auf die Idee, sein Buch einen „Psychothriller“ zu nennen. Bei Hakan Nesser ist das einfach ein schlichter Roman, weil er tatsächlich einen grossen Teil des Gewichtes seiner Schreibe auf die Figuren legt und nicht auf eine gruselige Spannung.

Kaufempfehlung: Ja klar. Mit Hakan Nesser geht man kein Risiko ein!

Munk. Von Jan Weiler.

Was man an Biografischem von Jan Weiler wissen muss, habe ich in einem früheren Check im Frühjahr 2022 festgehalten: https://www.buechercheck.com/2022/03/31/der-markisenmann-von-jan-weiler. Nun hat der mittlerweile 57jährige deutsche Journalist und Autor sein neues Buch vorgestellt. Frank und frei sei’s eingestanden: «Munk» hat mir womöglich noch besser gefallen als der «Markisenmann» -  und dies nicht nur wegen des charmanten Lokalkolorits. Die Story nimmt ihren Anfang nämlich in einem Zürcher Warenhaus, und Architektur studiert der Titelheld in Basel.

Der Herkunftsort der Stararchitekten Herzog & de Meuron hat diesen Peter Munk beruflich offenbar derart inspiriert, dass er es mit knapp fünfzig Jahren zum Partner eines international erfolgreich tätigen Architekturbüros mit gegen 100 Angestellten gebracht hat. Weniger Glück hatte er mit seinen Beziehungen: Mit vierzehn Frauen war er in 25 Jahren im Bett; bei ihm geblieben ist keine. Als er dann im Globus eine davon zu sehen glaubt, ereilt ihn mitten auf der Rolltreppe ein Herzinfarkt.

In der anschliessenden Reha in einer Fünfsterne-Kliniken für Bestbetuchte stellt der Arzt den Single vor eine überraschende Aufgabe: In der Auszeit solle er sich Rechenschaft über die Beziehungen ablegen, die sein Leben geprägt hätten. Ausser seinem verhassten Vater, einem widerlich skrupellosen, neureichen Baulöwen katastrophalen Charakters und Geschmacks, fallen Munk dazu allerdings nur seine Verflossenen ein. Und so holt er in der Abgeschiedenheit des Kurorts jedes einzelne dieser Verhältnisse akribisch genau aus der Erinnerung hervor und analysiert es aus seiner heutigen Position als bindungsunfähiger Einzelgänger.

Grossartig, wie Weiler diese Frauen und Munks Beziehung zu ihnen herausarbeitet. Von der Entjungferung bis zum Beischlafdiebstahl ist alles dabei, und immer wieder ertappt man sich beim Schmunzeln, weil einem die Typen und der Beziehungsstress mit ihnen vertraut vorkommen. In einem zweiten Strang karikiert der Autor ebenso liebevoll-ironisch den Kuralltag der versehrten Manager und Society-Ladies. «Munk» garantiert beste Unterhaltung!  

Der Steg. Von Petra Johann.

Es wieder einmal passiert. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, jedes Buch, bevor es hier im Blog erwähnt wird, auch von vorne bis hinten durchgelesen zu haben - es geht halt nicht immer! Und ich biete an, diesen Check gleich hier abzubrechen und nicht weiter zu lesen. Das wäre nur gerecht...

Also: Der Steg hat es nicht geschafft. Irgendwo nach Seite 300 (immerhin!) war aus die Maus! Und ich erkläre gerne, weshalb!

Reingefallen bin ich auf den Klappentext: "Ein tiefgründiger, virtuos komponierter Pschothriller über über eine Frau, die mit allen Mitteln ein Geheimnis zu bewahren sucht!" - Ich hätte auf meine Warnglocken hören sollen. Erstens macht man in einem solch kurzen Klappentext keinen Fehler (über über). Und zweitens steht normalerweise unter einem solch überschwänglichen Lob eine Quelle, z.B. Frankfurter Rundschau. - Hier aber steht nix. Das ist reines Eigenlob.

Dann der Titel: "Der Steg". Das produziert weder Spannung noch Heiterkeit. Sondern gar nichts. Der "Thriller" hätte auch: "Das Gartentor" oder "Der Mantel" heissen können.

Petra Johann hat eine sehr mutige Tat versucht: Eine Tat (eine Frau schubst einen Mann ins Meer) wird in den ersten 5 Sätzen als "Epilog" beschrieben. Danach schleppt sich die Geschichte über mehrere Hundert Seiten dahin. Die zusammenkommende Gruppe Menschen fragen sich alle, wie die andern ticken und weshalb sie dies oder das tun. Jedes Kapitel hat wieder eine andere Quelle und so zieht sich die Geschichte unendlich in die Länge, ohne das etwas passiert. Irgendwann trifft ein Erpresserbrief ein und das reicht dann wieder für mehrere Kapitel Gedanken und Fragen. Der Plot hat den Gehalt für eine Kurzgeschichte in der Lokalzeitung. Aber nicht für einen "Psychothriller" von 400 Seiten!

Petra Johanns Absicht, eine solch banale Ausgangslage auf 400 Seiten bis in die letzte Gehirnwindung zu sezieren war vielleicht mutig. Ist aber - meiner Meinung nach - nicht gelungen. Ich persönlich fand das Buch bzw. die Geschichte einfach nur: langweilig.

Man kann auch in die Höhe fallen. Von Joachim Meyerhoff.

Meine erste Begegnung mit dem schriftstellernden Schauspieler muss vor meinem Einstand in diesen Blog stattgefunden haben. Andernfalls hätte ich mit meinen guten Eindrücken über das Oeuvre des schauspielernden Schriftstellers - von «Hamster im hinteren Stromgebiet» bis «Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?» - sicher nicht hinter dem «Büchercheck»-Berg gehalten. Die Suchfunktion gibt allerdings keinen Treffer her, aber nun gibt mir Joachim Meyerhoffs neuester Roman Gelegenheit, meiner Schwäche für die autobiografischen Romane des 57-jährigen Deutschen Ausdruck zu verleihen.

Seit der damaligen Lektüre hat der kreative Tausendsassa allerdings mit einem Herzinfarkt einen Schuss vor den Bug erhalten, dessen Wirkung offensichtlich bis heute nachhallt. Weil ihm irgendwie alles über den Kopf wächst, flüchtet der Ich-Erzähler aufs Land zu seiner über achtzigjährigen Mutter, an deren abwechslungsreichem Leben er während Wochen staunend teil- und dieses natürlich auch als Stoff für ein autobiografisches Buch nimmt. Allerdings reichen die mütterlichen Abenteuer offenbar nicht für die ganzen 370 Seiten, und so reichert sie Meyerhoff mit Rückblenden auf seine Theaterkarriere an.  

Im Gegensatz zu vergleichbaren Sammlungen bleiben diese Anekdoten aber trotz des witzigen Titel «Scham und Bühne» oft überraschend saft- und kraftlos. Die ausführlich geschilderte Erinnerung an seine videoübertragene Dauermasturbation im Beichtstuhl einer experimentellen Aufführung etwa scheint Meyerhoff selber eher zu genieren, und auch andere theatralische Einstreusel wirken in der ansonsten durchaus witzigen Mutter/Sohn-Kiste eher als Fremdkörper denn als Bereicherung.

Es ist nicht so, dass mich «Man kann auch in die Höhe fallen» gelangweilt hätte. Meyerhoffs vorhergehende Büchern haben mich allerdings durchs Band besser unterhalten.