
Von der griechischen Sage bis zum Ärzteroman unserer Tage hat die Literatur über die Jahrhunderte manches eingängige Cliché entwickelt und gepflegt. Der 40-jährige deutsche Journalist und Autor Takis Würger schöpft in seiner Novelle «Für Polina» grosszügig aus diesem umfassenden Katalog.
Da wären: Der Ferienquickie einer jungen Frau mit einem völlig Unbekannten und das dabei gezeugte Kind, das von der unangepassten Mutter ohne Nachricht an den Vater allein aufgezogen wird. Die enge Verbundheit des heranwachsenden Autisten mit der im gleichen Haushalt lebenden Tochter einer Freundin seiner Mama. Die beiderseitige Liebe, die aus diesem geschwisterlichen Verhältnis entsteht, aber aus Scheu und Hemmung bis zum Schluss der Story nicht gestanden wird. Das Wunderkind auf dem Klavier, das auf grosser Welttournee Erfolge feiert, aber dabei nichts anderes im Sinn hat, als die Geliebte wieder zu finden. Die Kasteiung des jungen Mannes als Klavierträger, samt dazugehörigem Bratkartoffelverhältnis, mit dem der Ausnahmekönner die ungelebte Liebe zu seiner Jugendfreundin sublimiert. Die Melodie, die er für sie komponiert und die Fügung, dass diese Klänge dank eines millionenfach geteilten Videos die Liebenden wieder zusammenführt. Der Schmerz, nachdem die mittlerweile verheiratete Mutter eines Kindes nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht wieder zu ihrer Familie zurückkehrt. Und der Schluss, für den der frustrierte Weltklassepianist seine Tournee abbricht und in die baufällige Villa Kunterbunt seiner Kindertage zurückkehrt, wo er mit der mittlerweile alt gewordenen Ersatzvaterfigur auf die Heimkehr seiner grossen Liebe wartet.
Voilà die Geschichte von Hannes Prager und Polina. Alles drin, was die Literatur an Clichés hergibt. Trotz den vielen «déjà lus» bin ich gerne drangeblieben an diesem sympathischen Märchen, was «Für Polina» natürlich ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.