
Den 61-jährigen Deutschen Ferdinand von Schirach kennen Büchercheckleser als gelernten Juristen und dank seiner langjährigen Praxis als Strafrechtler auch Schriftsteller mit einer bemerkenswerten Begabung für Analysen von Straftaten und Straftätern.
https://www.buechercheck.com/2022/12/30/nachmittage-von-ferdinand-sirach/
https://www.buechercheck.com/2020/12/13/der-fall-collini-von-ferdinand-v-schirach/
In seinem Erzählband «Der stille Freund» erweist sich der erfolgreiche Krimiautor jedoch als Intellektueller, der sich in vierzehn Texten von einer neuen, philosophischen Seite zeigt. In der Sammlung finden sich prägnante Kurzporträt von Figuren wie Adolf Loos, Egon Friedell und Marcel Proust, Abhandlungen über Fake News und die sozialen Medien, die unsere Zeit und Gesellschaft so nachhaltig prägen.
Nicht immer funktioniert ja so ein Rollenwandel, wie ihn uns von Schirach zumutet. Zur Genüge bekannt sind Fälle von Erfolgsautoren, die eines Tages die Erwartungen ihres Publikums nicht mehr erfüllen wollen, etwas anderes ausprobieren und damit scheitern. Ich persönlich bin dem Bestsellerverfasser und ehemaligen Strafverteidiger auf seinem neuen Weg gerne gefolgt. Als Fan von Kurzgeschichten stecke ich auch die eine oder andere in meinen Leseraugen weniger gelungene gerne weg, wenn mich die nächste wieder in ihren Bann zieht.
Auch auf dem neuen Feld gelingt von Schirach im Übrigen, was ihn für mich und seine grosse Fangemeinde so lesenwert macht: Die schlichte, sachliche Sprache und der lakonische Stil, der jeglichem Überschwang und aller Dramatik abhold ist. So habe ich auch diese Essaysammlung mit Genuss gelesen.